2:54 – “2:54”

Künstler 2:54

2:54 Album Review Kritik
Nach ihrer Lieblingsstelle in einem Melvins-Lied haben sich 2:54 benannt.
Album 2:54
Label Fiction
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Revolving heißt das Lied, das am Beginn des Debütalbums von 2:54 steht. Das Schlagzeug darin ist zurückhaltend, die Gitarre geheimnisvoll, der Gesang ist mit reichlich Hall unterwegs. „I am revolving“, heißt die Feststellung im Refrain, und in der Tat scheint der Song nach und nach zu einer Spirale zu werden, zu einem Strudel.

Dass die Schwestern Colette und Hannah Thurlow, die hinter dem 2010 gegründeten Duo stecken, zuvor in einer Punkband gespielt haben, mag man dennoch kaum glauben. Auch ein paar weitere Stücke auf dem von Rob Ellis produzierten Album deuten eher in Richtung Shoegaze als in Richtung Pogo. Easy Undercover beispielsweise wird verführerisch und verschwörerisch, zu Ersterem trägt die verspielte Gitarrenmelodie bei, zu Letzterem der stoische Bass. „Is it all inside my head?“, lautet die zentrale Frage in Circuitry, und diese Unbestimmtheit zwischen Innen und Außen, zwischen Wahrnehmung und Fantasie, ist sehr prägend für die Grundstimmung bei 2:54. A Salute beweist vom Beat über die Kaskade der Gitarrentöne bis hin zur Komposition den äußerst kreativen und sehr gekonnten Mix aus prägnanten und abstrakten Elementen, für den Colette und Hannah Thurlow stehen. Auch die Acts, mit denen sie schon die Bühne geteilt haben (dazu gehören Wild Beasts, Warpaint, The Big Pink, The XX und The Maccabees), sind nicht gerade als Freunde von drei Akkorden und Dosenbier bekannt.

Bei genauerer Betrachtung finden sich allerdings doch recht glaubhafte Indizien für die Punk-Vergangenheit des Duos, das sich nach der Lieblingsstelle der beiden Schwestern in einem Lied der Melvins benannt hat. Sugar beispielsweise hat einen Bass, der Joy Division stolz gemacht hätte, und dazu sehr effektvoll verwobene Stimmen. Das Lied scheint sich kurz zu einem theatralischen Finale aufschwingen zu wollen, bricht dann aber doch ab. You’re Early strahlt eine beträchtliche Unruhe aus, der Gesang könnte von Shirley Manson sein mit diesem Mix aus Coolness und Bedrohlichkeit. Auch im Rausschmeißer Ride Creeping dominiert die Stimme: Eigentlich ist jedes Element des Songs für sich genommen plakativer und aggressiver als der Gesang, trotzdem stellt die Stimme alles in den Schatten.

Oft haben die Tracks von 2:54 ein sehr solides Rhythmusfundament, auf dem sich die Gitarre dann viele Freiheiten (einschließlich Pausen) gönnen kann. Es gibt auf diesem Album viele ausnehmend schöne Momente, das Duo erlaubt sich aber auch lärmende, sogar atonale Passagen. Watcher ist vielleicht das Meisterstück: Der Groove ist etwas besser erkennbar, der Gesang zu Beginn noch etwas mehr gehaucht, die Bandbreite insgesamt noch etwas größer als sonst. Dass 2:54 (sprich: TwoFiftyFour) eindeutig auch das Zeug zu Aggressivität und Gemeinheit haben, beweist spätestens die Single Scarlet, die an The Duke Spirit denken lässt: Das ist dicht und düster, gebremst und trotzdem brandgefährlich.

2:54 haben Sugar im Gepäck.

https://www.youtube.com/watch?v=1AidvJnT-JE

2:54 bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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