Autoren Jensus und Timus
Titel Faust III
Verlag
Erscheinungsjahr
Bewertung ****

es handelt sich bei diesem werk keineswegs um der "tragödie dritten teil", sondern um eine umwandlung des "faust I" in "fäkalmetaphorik", wie die autoren ihren stil selbst bezeichnen. so wird schon in der nicht zu unrecht vorangestellten "gebrauchsanweisung" der wichtige hinweis gegeben: "Das Hören von Bawufz-Geräuschen verursacht Störungen der Peristaltik." wer anhand solcher vorbermerkungen aber stumpfsinnig-obszönen klamauk erwartet, liegt falsch. stattdessen gelingt es den autoren, den gesamten handlungsstrang des faust I umzudeuten, zu modernisieren und an einigen stellen sogar zu erweitern. einige pointen werden sich zwar nur einem insiderpublikum in ihrer vollen größe erschließen können, doch eine fundierte kenntnis von goethes originaltext reicht schon aus, um an "faust III" seine helle freude zu haben. denn zum einen finden die autoren sehr schnell zu einem ganz eigenen stil, indem ihnen keine schublade zu weit unten, kein kalauer zu alt ist ("Mechthild: Ist tot? Das treue Herz, oh weh / Mein Mann ist tot, ach ich vergeh / Doch was mich brennend interessiert / Wie zum Teufel ist dies passiert? // Der Deibel: Er hockte lesend auf dem Abort / Zog an der Leine, da war er fort // Mechthild: Das ist ja scheiße // Der Deibel: Wohl wahr. Scheiße war's, doch auch Urin"). daneben warten sie aber auch mit ganz subtilen, hoch intelligenten anspielungen und zitaten auf, die zur fäkalmetaphorik keineswegs in kontrast stehen, sondern sie kongenial ergänzen und überhaupt erst vervollständigen. so sind gerade die einfachsten ideen oft enorm wirkungsvoll ("Faust: Wie kommen wir denn aus dem Haus / Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen? // Der Deibel: Wir breiten nur den Mantel aus / Der soll uns durch die Lüfte tragen / Faust: Mit deinem Mantel ziehn wir Leine? / Verarschen kann ich mich alleine!" oder "Faust: Mein schönes Fräulein, darf ich wagen / Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen // Brunhalde: Bin weder Fräulein noch schön / Kann ungeleitet nach Hause gehen // Faust: Bei Zeus, dies Weib ist wunderbar / Fast so wie Miss Februar".) wie goethe vor allem im faust II das versmaß den personen und situationen meisterlich anpasst, so werden hier verschiedenste dialekte kunstvoll eingesetzt ("Der Deibel: Ich salutiere den gelehrten Herrn / Das nächste mal zur Sau ich wer'n / Ich bin der Geist, der stets verneint / Und das mit Recht, denn alles, was entsteht / Ist wert, dass es zu Grunde geht / Denk zum Beispiel an Worlds Apart / Da wird dir ja die Leber hart"). köstlich sind auch die szenenbezeichnungen ("Wirtschaftsweg der LPG Wintersdorf, Ortsteil Pflichtendorf" oder die famos chiffrierte "Mauerreinnotedunklung") und regieanweisungen ("Die beiden diskutieren noch a bissl, dann machen sie's doch, Faust dud's Kästchen in'n Schrank un ferdich", "Ein Geräusch, das dem einer auf einer Waldwegwurzel aufsetzenden Stoßstange eines mit dem vorbeischleichenden Fahrzeug baugleichen Automobils gleicht, durchhallt den Wald. Ein Männlein in weiß entsteigt dem Kfz und betrachtet laut fluchend die entstandene Symbiose von Fahrzeug und Wurzel" oder "Stirbt heftig harnend"). schließlich enthält faust III auch unsterbliche spruchweisheiten wie "Wer früher stirbt, ist länger tot", "Wie wird mir denn, die luft wird mies / Wer ist die Sau, die einen ließ?" oder gar "Zum Brockengipfel lass und laufe / Da tun mir uns dann dischd'sch besaufe / Und sollt das Ganze uns net schmecke / Tun mer heft'sch de Hexen hecke". ein highlight ist auch die parenthese "Die ungeflügelte Blattlaus und ihre Bedeutung für die Salzburger Festspiele", die Goethes Walpurgisnachtsphantasie locker in den Schatten stellt. zudem hast faust III gegenüber dem original noch einen weiteren unschätzbaren vorteil: den running-gag mit bambi. was es mit dem aber auf sich hat, wird nicht verraten. wärmstens empfohlen: selber lesen.

januar 2003



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