BRKN Rahat EP Review

BRKN – “Rahat”

Künstler*in BRKN

BRKN Rahat Review Kritik
Der Titel von “Rahat” bedeutet übersetzt “Ruhe”.
EP Rahat
Label Sweet
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

BRKN hat sein Selbstverständnis schon immer von der Tatsache abgeleitet, dass er anders ist als der Rest im Deutschrap. Grönemeyer statt Gangster, Saxofon-Unterricht statt Street-Cred und Bachelor-Abschluss statt Boasting stehen in seiner Biographie. Seinem Erfolg war das nicht abträglich: Seit der ersten EP 2014 geht es praktisch kontinuierlich bergauf, das 2021er Album Drama erreichte Platz 25 in den deutschen Charts, sein bisheriger Bestwert, aber womöglich noch längst nicht das Ende der Fahnenstange.

Es passt zu seinem Werdegang, dass dieser Karriereweg nicht dazu geführt hat, jetzt ein protziges Album à la “Mir kann keiner was”, “Ich habe euch immer gesagt, dass ich der Größte sein werde” oder gar “Ach, wie schlimm ich jetzt an meinem Ruhm leide” vorzulegen. Stattdessen gibt es mit Rahat eine EP, die nach dem türkischen Wort für “Ruhe” benannt ist, und die Erkenntnis: So ein Erfolg kann auch Anlass sein, sich zurückzunehmen. Er kann Bestätigung sein, dass man auf seine Intuition vertrauen kann. Er kann Ermutigung sein, den eigenen Weg zu gehen. Genau das macht der 1991 als Andac Berkan Akbıyık geborene Berliner aus einem türkisch-armenisch-kurdischen Haushalt hier.

Es geht wieder darum, wie dumm und anstrengend Männer sein können, wie schwierig das Miteinander der Menschen und die Welt im Allgemeinen sind, offensichtlich wird auf Rahat auch eine Trennung verarbeitet. Auch musikalisch hat die EP einen viel weiteren Horizont, als man es im Deutschrap gewohnt ist. Es wird im Sound sogar noch vielfältiger als zuletzt bei BRKN. Im Intro gibt eine Frauenstimme so etwas wie das Credo dieser EP vor: „Es ist viel passiert. Und ich schlag mich gut, ich schlag mich echt gut und das ist auch okay. Aber ich will mich gar nicht mehr schlagen. Ich will mich nicht mehr durchschlagen müssen, Tag für Tag, ich will endlich Ruhe, Frieden, sanft und sicher. Aber vielleicht ist es einfach nichts für uns. Diese Unruhe wird uns noch umbringen.”

Danach zeigt Sad In Mérida innerhalb von rund zweieinhalb Minuten, was BRKN hier alles drauf hat. Der Track beginnt als Ballade mit einer bedeutungsschwangeren Gitarre und dem Bekenntnis “Ich mach’s mit Herz oder gar nicht”, dann kommen Streicher und Klavier dazu, bevor sich der Song im Finale plötzlich einen sehr satten 808-Beat gönnt. Therapie kommt im Soul-Gewand mit tollem Bass, sehr wirkungsvoller Orgel und am Ende einem Saxofon-Solo daher und klingt in Summe wie Jan Delay, wenn er über seinen Minderwertigkeitskomplex rappen würde statt über seine Unantastbarkeit.

Seit du weg bist und Never Love You Again sind Lieder über Liebeskummer, dem wahrscheinlich in beiden Fällen dasselbe Ende einer Beziehung zugrunde liegt. In beiden Tracks zeigt sich BRKN verletzt, aber nicht verbittert, und er erkennt auch, was das Aus jenseits des Schmerzes mit ihm macht. Die musikalische Umsetzung ist allerdings höchst unterschiedlich: Einmal gibt es einen sehr dezenten und geschmackvollen Sound, als würde es bei The Weeknd plötzlich wirklich um Gefühl statt Kalkül gehen, im anderen Fall gibt es als Grundlage einen sehr leichtfüßigen Housebeat und viel Geschwindigkeit.

„Dadurch, dass ich mich einfach getraut habe, was ich mich sonst nicht getraut habe, ist es für mich das ehrlichste Projekt bis hierhin, das Projekt, das mich am besten als die momentane Person einfängt”, sagt BRKN über Rahat. Den festen Willen, seine Individualität voll und ganz ins Zentrum seines Sounds zu stellen, hört man auch dem abschließenden Laylow Freestyle an. Er feiert die Gemeinschaft statt das Ego, die Außenseiter statt die Babos – und das dürfte genau der richtige Ansatz sein, um die Zeile “Ich bin kein Trend” weiter erfolgreich zu untermauern.

Eisig geht es zu im Video zu Seit du weg bist.

Website von BRKN.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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