Chuckamuck – “Language Barrier”

Künstler Chuckamuck

Chuckamuck Language Barrier Review Kritik
Chuckamuck liefern mit “Language Barrier” ein übersetztes Best-Of.
Album Language Barrier
Label Staatsakt
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Chuckamuck haben allen Grund, sich mit dem Phänomen der Language Barrier zu beschäftigen. In Berlin, wo sie seit 2006 gemeinsam musizieren, leben Menschen aus fast 200 Nationen, es kann also durchaus schon in der eigenen Heimatstadt passieren, dass die Band mit Sprachbarrieren und Verständigungsproblemen zu tun hat. Noch mehr gilt das auf, wenn sie mit Acts wie den Black Lips, King Khan & The Shrines oder den Beatsteaks auch außerhalb Deutschlands auf Tour sind und dann beobachten müssen, wie schwierig es ist, mit deutschen Texten wirklich zum internationalen Publikum durchzudringen.

Die Lösung, die Frontmann Oska Wald und seine Mitstreiter gefunden haben, ist dennoch erstaunlich: Language Barrier ist so etwas wie ein Best-Of-Album von Chuckamuck, für das sie einige ihrer schönsten Lieder auf Italienisch, Spanisch, Französisch, Schwedisch, Englisch, Polnisch, Hebräisch und Japanisch eingesungen haben. Drei Jahre haben sie an der Umsetzung gearbeitet, bei den Übersetzungen haben Freunde geholfen. “Man denkt normalerweise: Es ist Musik, also wird es überall auf der Welt verstanden”, sagt Oska Wald. “Aber Chuckamuck ist so viel mehr als unsere Songs. Es ist wie eine Marke für unsere Kunst, Animationen, Konzerte, Videos, Comics. Eine ganze Welt, die wir erschaffen haben.” Passend dazu gibt es zu jedem Song der Platte auch wieder einen Videoclip.

Die Effekte, die dieser Ansatz haben kann, lassen sich beispielsweise im nun spanischen Camino Camino beobachten: Das ist lässig, schräg und originell – wie vieles auf der Platte. Luna Park (italienisiert) ist kurzweilig und mitreißend, das französische Vingt Mille km wirkt wie eine besonders charmante Variante von Element Of Crime, die englische (und herrlich rabaukige) Version von Turkey Stew hätte von den Buzzcocks kommen können, wären die keine Muttersprachler gewesen. Auf Englisch (so hatten Chuckamuck ja teilweise noch auf ihrem Debütalbum gesungen) sind hier auch Memories Of You zu hören, das etwas Lounge-Atmosphäre mit dem My Bonnie Is Over The Ocean-Zitat vereint, ebenso wie der Rausschmeißer Endless Sleep, eine Coverversion des Songs, den Nick Lowe auf seinem 1978er Album Jesus Of Cool veröffentlicht hat, und der hier einen Hauch von Soul und sogar etwas Eleganz bekommt.

Highlights der Language Barrier sind die Songs, die besonders exotisch anmuten. Das spanische Karl Igual glänzt mit Psychedelik und zum Ende hin mit viel Schwung, Baltyk (auf Polnisch) demonstriert pure Rock’N’Roll-Lust, als seien einfach ein paar Kids zu hören, die mit ihren Instrumenten die Freude am Lärm entdecken. Men Kiosken Runt Om Hörnet Dar Jag Bor erweist sich als schwedischer Country, lupenrein mit Honky-Tonk-Piano und Mundharmonika. Das nun tatsächlich japanische Sayonara funktioniert am besten und wird ziemlich unwiderstehlich in seiner heiseren, zusammengeschusterten Wildheit.

Auch der Album-Auftakt (Eskimo Limon) לימון אסקימו macht deutlich, wie skurril die Effekte einer Platte sein können, auf der insgesamt acht Sprachen zu hören sind. Nach wie vor klingt das nach Garage, einem hormonell getriebenen Drive und Witz, einer Kombination aus Rumpeln, Flirten und Augenzwinkern. Dass der Song ursprünglich Eis am Stiel hieß, sich damit auf die gleichnamige, in Israel gedrehte Filmreihe bezog und nun von Amit Alcalai (The Gondors), dem neusten Bandmitglied von Chuckamuck, ins Hebräische übertragen wurde, setzt dem multilingualen Ansatz der Platte die Krone auf.

Es wird Schlauberger geben, die angesichts von Language Barrier behaupten werden, dass Oska Wald so sehr nuschelt, dass man seine Texte schon auf Deutsch nicht versteht. Chuckamuck dürften aber viel zu cool sein, um auf derlei Frotzeleien zu reagieren, und letztlich haben sie mit dieser genauso originellen wie gelungenen Platte alle Argumente auf ihrer Seite. Schließlich haben einst schon die Beatles ihre ersten Hits auch auf Deutsch und Französisch für die Fans in diesen Ländern eingesungen. Die Fab Four wussten wohl auch schon: Es ist schön, neue Märkte zu erschließen, und es fühlt sich gut an, verstanden zu werden.

Unverkennbar: Oska Wald ist ein preisgekrönter Grafiker.

Website von Chuckamuck.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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