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Die 25 schönsten Floskeln aus „Internet – Fluch oder Segen“

Statt seiner nachgewiesenen Expertise liefert Sascha Lobo leider oft nur Floskeln. Foto: Reto Klar/Rowohlt
Statt seiner nachgewiesenen Expertise liefert Sascha Lobo leider oft nur Floskeln. Foto: Reto Klar/Rowohlt

Dass Internet – Fluch oder Segen von Kathrin Passig und Sascha Lobo ein etwas seltsames Buch ist, habe ich an anderer Stelle schon geschildert. Das liegt vor allem daran, dass sich das Buch – absichtlich – selbst nicht ernst nimmt, sondern immer wieder in Witzeleien abdriftet, wo ein Bekenntnis oder zumindest eine Analyse gefragt gewesen wäre. Fast genauso ärgerlich ist die Tatsache, dass das Buch – unabsichtlich – vor Allgemeinplätzen wimmelt, die an Substanzlosigkeit kaum zu überbieten sind. „Wo eine Wiese ist, da kann kein Wald sein“, heißt einer der poetischsten davon, doch auch wenn es tatsächlich ums Netz geht, liefern Lobo und Passig immer wieder Sätze, bei denen das Phrasenschwein sich nach einer Diät sehnen dürfte und die so banal und selbstverständlich sind, dass nicht einmal die Wikipedia als Quellenangabe dafür taugt.

Das ist schade, denn die Autoren hätten zweifelsohne genug Expertise zu bieten gehabt, um gerade Netz-Neulingen das Wesen des Internets zu erklären. Stattdessen liefern sie allenfalls eine Bestandsaufnahme aktueller Debatten und immer wieder Worthülsen und Plattitüden. Hier also 20 unsagbar existenzille Erkenntnisse aus Internet – Segen oder Fluch, in aufsteigender Reihenfolge ihrer Weisheit/Allgemeingültigkeit/Belanglosigkeit. Allesamt vorbildlich aus dem Zusammenhang gerissen, altmodisch mit Belegstellen versehen und frei nach dem Motto: „Hätten Sie’s gewusst?“

„Das Netz verändert die Welt.“ (S. 7)

„Die sozialen Medien wirken naheliegenderweise vor allem auf diejenigen, die sie selbst nutzen.“ (S. 168)

„Der Siegeszug des Internets ist unaufhaltsam.“ (Klappentext)

„In der Datenschutzdebatte treffen verschiedene gegenläufige Wünsche und Bedürfnisse aufeinander.“ (S. 211)

„Einer der größten sozialen Vorteile des Internets ist, dass man darin sehr viele Gleichgesinnte findet.“ (S. 225)

„Digitale Kopien machen ohne Qualitätsverlust aus einem Ding zwei.“ (S. 13)

„Die Vorstellung, manipuliert zu werden, ist allgemein unbeliebt, und zwar vor allem dann, wenn diese Beeinflussung heimlich geschieht.“ (S. 273)

„Dass 55 Millionen Deutsche im Internet sind, bedeutet auch, dass fast 30 Millionen Deutsche nicht im Internet sind, warum auch immer – man kann niemanden dazu zwingen.“ (S. 174)

„Die Einflüsse, die dazu führen, dass sich bestimmte Wertvorstellungen stärker ausprägen als andere, liegen in der eigenen Persönlichkeit, in der Erziehung, dem kulturellen Umfeld und den individuellen Erfahrungen.“ (S. 26)

„Die digitale Welt ist zweifellos schnell.“ (S. 91)

„Die Spannung zwischen etablierten und weniger etablierten Autoritäten ist alt, ebenso wie die zwischen den Interessen des Einzelnen und denen größerer Gruppen.“ (S. 150)

„Im Netz können sich im Prinzip beliebig viele Menschen schriftlich an Debatten beteiligen.“ (S. 134)

„Im Streit um das Urheberrecht im digitalen Zeitalter gibt es nicht nur eine Front, sondern viele.“ (S. 246)

„Neue Technologien können sich nur dann durchsetzen, wenn sie auf ein vorhandenes, starkes Bedürfnis treffen.“ (S. 61)

„Papier kostet Geld und braucht Platz.“ (S. 125)

„Wer sich im Internet von 1995 bewegt wie ein Fisch im Wasser, der muss sich deshalb in den sozialen Netzwerken der nuller Jahre noch lange nicht zu Hause fühlen.“ (S. 21)

„Weil im Internet tätige Unternehmen ihren Sitz selten in Deutschland haben, kann der deutsche Staat nicht ohne Weiteres deren Rechte einschränken.“ (S. 204)

„Die Gesellschaft ist man eben nicht allein.“ (S. 218)

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Welt durch Technologien – ja, auch durch das Internet – weder besser noch schlechter, sondern bloß ANDERS wird.“ (S. 32)

„Wo heute noch kein konkretes Problem besteht, kann morgen eines auftauchen.“ (S. 272)

„Wahrscheinlich kann das Netz sogar besonders dazu beitragen, Verschwörungstheorien zu entwickeln und zu verbreiten, weil sich darin wirklich jede Information und Meinung wie auch deren Gegenteil finden lässt.“ (S. 47)

„Die Wahrscheinlichkeit, dass Facebook in einigen Jahren durch einen anderen Anbieter abgelöst wird und an Bedeutung verliert, ist auch höher als die, dass dasselbe mit dem Staat geschieht.“ (S. 218)

„Es ist ganz leicht, mit Behauptungen über das Neue daneben zu liegen.“ (S. 53)

„Sachbuchautoren oder Journalisten erhalten für alarmistische Thesen oder goldene Zukunftsvisionen mehr Aufmerksamkeit als für sachliche Aufklärung.“ (S. 19)

„Schon Immer wurde mehr Unsinn gesprochen als Nichtunsinn.“ (S.117)

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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