Draufgeschaut: Berlin Calling

Mit seiner Managerin und Freundin Mathilde (Rita Lengyel) jettet DJ Ickarus (Paul Kalkbrenner) durch die Welt.
Mit seiner Managerin und Freundin Mathilde (Rita Lengyel) jettet DJ Ickarus (Paul Kalkbrenner) durch die Welt.
Film Berlin Calling
Produktionsland Deutschland
Jahr 2008
Spielzeit 100 Minuten
Regie Hannes Stöhr
Hauptdarsteller Paul Kalkbrenner, Rita Lengyel, Corinna Harfouch, RP Kahl, Araba Walton
Bewertung ****

Worum geht’s?

Ickarus ist einer der angesagtesten Techno-DJs in Berlin und kurz davor, sein heiß erwartetes zweites Album herauszubringen. Er genießt seinen Ruhm mit einem Vollgas-Lifestyle aus Partys, Gig-Stress und Drogen. Erst als er zusammenbricht, beginnt er, seine Grenzen zu erkennen. Doch ausgerechnet dann lassen ihn alle im Stich. So droht er auch noch das zu verlieren, was ihm am meisten bedeutet: seine Musik.

Das sagt shitesite:

Als ultimatives Bilddokument der Technokultur, wie es 24 Hour Party People für Manchesters Rave-Szene oder 1991 – The Year Punk Broke für den Grunge war, scheitert Berlin Calling. Zwar wird hier das Prinzip Techno einigermaßen schlüssig und erfreulich authentisch erklärt, der Hedonismus der Szene wunderbar inszeniert und auch das Jetset-Leben der DJs von Disco zu Disco dezent, aber clever eingefangen. Doch die Ideologie hinter den Beats wird allenfalls angerissen: die Frage, ob Genie immer zur Rebellion führen muss, ob Drogen eine Voraussetzung für Inspiration sind, ob man tanzend die Welt verändern kann. Dafür aber hat Berlin Calling den Vorteil, dass es ein echter Spielfilm ist, der auch ohne den Hintergrund der Techno-Ära funktioniert. Mit reichlich Sex und noch mehr Witz (wunderbar die Szene mit Drink in der Kirche oder das Nackt-Frühstück im Hotelrestaurant) wird hier die durchaus zeitlose Geschichte eines Künstlers erzählt, der über seine Kunst die Flucht aus dem Leben sucht und darüber die Welt vergisst. Ob das Ergebnis komisch oder tragisch wird, in Euphorie oder Paranoia mündet, hängt mitunter bloß an der Frage von guten Drogen und schlechten Drogen. Paul Kalkbrenner in seinen ewigen Fußballtrikots spielt das durchaus beeindruckend und grandios uneitel. Dass der Star-DJ, der immer nur an der Oberfläche lebte, in der Psychiatrie landet, wo alle Patienten permanent auf ihr Innerstes zurückgeworfen werden, ist ein sehr geschickter Kniff. Letztlich ist Berlin Calling weniger ein Musikfilm als vielmehr ein witziges Erforschen und Hinterfragen unserer Vorstellungen von Kunst – natürlich mit einem tollen Soundtrack.

Bestes Zitat:

“Wer nur an sich selbst denkt, der wird immer einsam sein.“

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=drdf8OeBUUM

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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