Draufgeschaut: Gefahr und Begierde

Herr Yee (Tony Leung) soll von einer Studentin (Wang Wei) in die Falle gelockt werden.
Herr Yee (Tony Leung) soll von einer Studentin (Wang Wei) in die Falle gelockt werden.
Film Gefahr und Begierde
Produktionsland USA/China/Taiwan
Jahr 2007
Spielzeit 157 Minuten
Regie Ang Lee
Hauptdarsteller Tang Wei, Tony Leung, Lee-Hom Wang, Joan Chen, Chu Chih-Ying, Tony Wang
Bewertung ***1/2

Worum geht’s?

China 1938: Das Land kämpft im Zweiten Weltkrieg gegen die japanische Besatzung. Eine Studentengruppe in Hongkong will mit patriotischen Theaterstücken den Widerstand stärken. Dann reicht dieser Beitrag den jungen Leute aber nicht mehr aus. Sie planen stattdessen einen Anschlag auf Herrn Yee, einen hohen chinesischen Sicherheitsbeamten, der mit den Japanern kollaborieren soll und deshalb als Verräter gilt. Die hübsche Wong Chia Chi soll ihn verführen und in die Falle locken, in der er dann erschossen werden soll. Doch die Studenten gehen reichlich naiv zu Werke, sodass sie nie eine Chance auf ein Attentat bekommen. Vier Jahre später bietet sich in Shanghai erneut die Möglichkeit, den Plan zu verwirklichen. Doch die Verschwörung ist noch gefährlicher geworden, denn womöglich hat Herr Yee längst Verdacht geschöpft.

Das sagt shitesite:

Wenn man unbedingt will, kann man Gefahr und Begierde als einen politischen Film betrachten. Schließlich erzählt er die Geschichte einer chinesischen Widerstandsbewegung und ihres Kampfes gegen ein korruptes Regime, gegen Armut und Bevormundung. Viel mehr ist dies aber eine Geschichte über die Suche nach Identität und die Rolle, die die Liebe dabei spielt. Die oft düsteren (und wunderbar fotografierten) Bilder, in denen sie erzählt wird, und die politischen Verstrickungen, die den historischen Hintergrund bilden, sind letztlich nur Verstärker dafür. Gefahr und Begierde ist deutlich näher an Der Liebhaber als an Sophie Scholl.

Wong Chia Chi schließt sich den idealistischen Studenten nicht in erster Linie aus Überzeugung an, sondern weil sie sich nach Zugehörigkeit sehnt. Ihre Mutter ist tot, ihr Vater ist mit ihrem Bruder nach England ausgewandert und kann sie nun wegen des Krieges nicht nachholen. Sie hat nichts mehr zu verlieren, und erst das macht sie zum bereitwilligen Lockvogel der Studenten.

Für sie gilt am deutlichsten, was auch für ihre Mitverschwörer gilt: Sie alle müssen erst Mut fassen und sind dann durch ihre Überwindung aneinander gefesselt. Die Eleganz, Höflichkeit und Disziplin, die dabei in jeder Szene von Gefahr und Begierde an den Tag gelegt wird, liefert einen reizvollen Kontrast zu den mörderischen Plänen, die die Studenten hegen, und zur bestialischen Folter, die ihnen droht, wenn sie erwischt werden.

Das führt zu sagenhaft intensiven Szenen wie der ersten gemeinsamen Autofahrt von Wong Chia Chi und Herrn Yee oder dem Lied, das sie ihm später in einem Bordell in Shanghai vorsingt. Immer schwingt hier die Frage mit, ob Herr Yee sich tatsächlich verführen lässt, oder ob er den Verschwörern längst auf die Schliche gekommen ist und nur noch schauen möchte, wie weit sie gehen werden, um sie dann grausam zu bestrafen.

Es ist diese Frage, um die sich Gefahr und Begierde vor allem in der zweiten Hälfte dreht. Als sich Herr Yee der Affäre mit seiner jungen Geliebten hingibt, sind beide plötzlich mit Gefühlen konfrontiert, denen sie nicht über den Weg trauen, und die deutlich machen, wie groß die Opfer sind, die aufgrund der politischen Lage von beiden eingefordert werden. Ist dies wirklich noch eine Falle, oder genießt die Verführerin jedes einzelne Stelldichein? Steckt der finstere Henker wirklich im Liebestaumel, oder demütigt er nur sein längst enttarntes Opfer und zögert dessen Vernichtung heraus?

Der Zuschauer kennt die Antworten ebenso wenig wie die Beteiligten, und besonders die sehr freizügigen Liebesszenen von Gefahr und Begierde gewinnen dadurch eine ungeheure Kraft. Die junge Frau hat nur ihre Wut und ihre Überzeugung, der ältere Mann hat nur seine Einsamkeit und sein Misstrauen. Im Bett haben beide letztlich Todesangst und ihr Sex wird mehr und mehr zu einem Duell mit sado-masochistischen Zügen. Damit wird der Film dann doch noch seinem deutschen Titel gerecht, der ein wenig nach Groschenroman klingt, aber letztlich genau richtig gewählt ist – weil er den Konflikt auf den Punkt bringt, den hier beide mit sich ausfechten.

Bestes Zitat:

“Es gibt außer mir keinen, der ihn lieber töten würde. Aber wenn er über etwas verfügt, das mehr wert ist als sein Tod, lasse ich ihn länger leben.”

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=dtFMc5y-TDc

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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