Elsterglanz, Haus Auensee, Leipzig

Sprücheklopfer aus ML: Elsterglanz. Foto: www.elsterglanz-diefans.deElsterglanz sind ein seltsames Duo. Sie kommen aus dem Mansfelder Land, zu Zeiten der Weimarer Republik eine Hochburg des Kommunismus (manche behaupten, das Autokennzeichen „ML“ stehe nach wie vor für „Marxismus-Leninismus), heute eine der vielen strukturschwachen Regionen in Sachsen-Anhalt. Aufrührerisch, aber mit wenig Perspektive – vielleicht ist das der perfekte Nährboden für ihre, nunja, Comedy.

Mit Sprücheklopfen, Blödelliedern und YouTube-Videos haben es Elsterglanz in knapp zehn Jahren weit gebracht. Mit ihrem Programm “Die Brutalität im Weltraum nimmt zu” sind sie gerade auf großer Herbsttournee. Am Wochenende sind sie zweimal in Folge im Haus Auensee in Leipzig aufgetreten. Seit Monaten war die Halle ausverkauft, in der sonst Oasis, die Sportfreunde Stiller oder demnächst OMD spielen. All das haben sie ganz ohne Fernsehen geschafft. Elsterglanz sind die ersten deutschen Comedystars, die aus dem Internet kamen.

Und sie sind Helden für ihre Fans. Daran kann kein Zweifel bestehen, wenn man sieht, wie hoch der Anteil derer ist, die hier auch ein T-Shirt tragen oder wenn man das Triumphgeschrei hört, das losbricht, als der Vorhang fällt und Gilbert Rödiger und Sven Wittek tatsächlich leibhaftig auf der Bühne stehen. Der eine gibt eine ABM-Kraft, die sich mitsamt Rasenmäher in den Himmel verirrt hat, der andere den lieben (aber etwas bequemen) Gott. Und zwar vor einem Bühnenbild, das einen Penis zeigt, so wie ihn Pennäler zeichnen, die ihre Lehrer auf die Palme bringen wollen.

Der Sketch ist ein verdammt gelungener Auftakt für einen sehr unterhaltsamen Abend, und zerstreut sofort alle Zweifel, ob der Humor von Elsterglanz überhaupt live funktionieren kann. Sie bringen, ganz klassisch, eine ganze Reihe solcher einstudierter Dialoge auf die Bühne, schauen im Fernsehen auch mal die legendären Videos an, in denen sie Film-Klassiker neu synchronisieren und spielen nach einer Umbaupause verstärkt durch eine dreiköpfige Band ihre Hits wie Kaputtschlaahn, Röstertaube oder Waldemar der Brombeerblueser.

Am lautesten ist der Jubel, als sie „Prost Leipzig!“ sagen. Kein Wunder: Im Publikum herrscht deutlicher Männerüberschuss, eine Warteschlange bildet sich hier ausnahmsweise einmal vor dem Herren-, nicht dem Damenklo. Diese Männer freuen sich, dass Elsterglanz auf der Bühne das billigste Bier der Region trinken. Sie singen bei Textzeilen wie “Wir hängn uns heut Berlin um / Sag mal Klettergerüst / Ne nackche Frau jeküsst / Wir sind heut alle Sindbad / Mit nem Semmelkloss / Ziehn wir Zyklopen groß” mit. Sie sprechen die abgefahrensten Sprüche („Bei Dir war wohl die komplette Muttermilch sauer?“) sofort nach – halb, um noch ein zweites Mal über den Witz lachen zu können, halb, um den Spruch auswendig zu lernen und in ihren Alltag einzubauen.

Auch deshalb sind Elsterglanz Helden für die Zuschauer in Leipzig. Sie sprechen in einer eigenen Sprache, die hier auch die Sprache des Publikums ist. Das meint nicht nur ihren Dialekt, der oft als dümmlich betrachtet wird und für Elsterglanz doch zum Erfolgsrezept geworden ist. Es meint auch das Vokabular. Das Gegenüber wird hier mit „Alter“ oder „Meiner“ (eine Verkürzung von „Mein Guter/Mein Bester/Mein Alter“) angesprochen. Bier heißt „Jauge“. Und ficken heißt „knären.“

Rund um diese Begriffe entfaltet sich ein durch und durch männlicher Humor, den ebenfalls jeder kennt, der schon einmal im Kreise seiner Kumpels eine Überdosis Langeweile mit deutlich zu viel Alkohol kombiniert hat: Im Prinzip gibt es keine Pointen, sondern es werden einfach Sprüche geklopft, irgendwo zwischen Beavis & Butthead, Erkan & Stefan und Bud Spencer & Terence Hill. Und natürlich dem Typ, der damals immer der Klassenclown war und dann aber nicht mehr den Absprung geschafft hat. Es ist dieses Geheimnis von Elsterglanz, das eine so hohe Identifikation schafft: Jeder ihrer Fans denkt: „Das könnte ich auch. Nach ein paar Bier.“ Prost.

Ihr größter Hit: Elsterglanz wollen alles Kaputtschlaahn:

httpv://www.youtube.com/watch?v=5jFIyIkQrz4

Homepage von Elsterglanz.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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