Father John Misty – “God’s Favorite Customer”

Künstler Father John Misty

Father John Misty God's Favorite Customer Review Kritik
Father John Misty wird auf “God’s Favorite Customer” gerne philosophisch.
Album God’s Favorite Customer
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

We’re Only People (And There’s Not Much Anyone Can Do About That), heißt das letzte Lied auf diesem Album. In zweierlei Hinsicht ist das typisch für God’s Favorite Customer, die vierte Platte von Josh Tillman alias Father John Misty: Der Sound gleitet hier noch etwas tiefer in die Siebziger als bei den anderen Songs, der Text wird noch etwas philosophischer.

In der Tat wird der Sänger, bisher gerne für Provokation und Schräges zu haben, gerne auch für einen netten kleinen Rock’N’Roll-Schwindel, diesmal nicht nur äußert introspektiv, sondern auch grundsätzlich. In Mr. Tillman reflektiert er über sich selbst, schwelgerisch, mellow und cool. “I’m feeling older than my 35 years”, muss er im sehr innigen Please Don’t Die anerkennen. “Maybe I’ll get a pet / learn how to take care of somebody else”, singt er, fast nur vom Klavier begleitet, im unerhört zarten The Palace. Der Anstoß für diese zusätzliche Ernsthaftigkeit war wohl die Erkenntnis, wie schwer es ist, in einer Welt voller Versuchungen ein moralisch guter Mensch zu bleiben.

Im Ergebnis wirkt das zunächst deutlich schwermütiger als die bisherigen Werke, zumindest an der Oberfläche erscheint es auch weniger besonders, weil der Effekt (statt: das Gefühl) hier manchmal noch wichtiger zu sein scheint als früher. Bei einem genaueren Blick auf die zehn Lieder von God’s Favorite Customer erkennt man allerdings, dass die Vorliebe für Schräges und Cleveres bei Father John Misty ungebrochen ist. Date Night zeigt das mit seinem verhunzten Countrysound à la Dandy Warhols, ebenso der Titelsong mit der ebenso klugen wie selbstverständlichen Behauptung “I’m in the business of living” und dem Eingeständnis: “I was God’s favorite customer.”

Das meisterhafte und sehr erwachsene The Songwriter sowie Just Dumb Enough To Try sind weitere Beispiele für das Klavier als diesmal noch stärker prägendes Instrument des Albums, Letzteres wird noch etwas getragener als die anderen Songs und lässt an die Momente denken, in denen sich Ryan Adams vollends in seinen Liebes- und Lebenskummer fallen lässt. Disappointing Diamonds Are The Rarest Of Them All strahlt viel Westküstenlässigkeit aus (obwohl das Album in New York entstanden ist), dazu ein bisschen Glamour und Wehmut, wie man das etwa von Phantom Planet kennt.

Den vielleicht größten Moment auf God’s Favorite Customer gibt es gleich zu Beginn: Hangout At The Gallows eröffnet das Album mit einer großen Nähe zu Soul, sogar Gospel. Streicher, Chöre und ein wuchtiges Klavier ertönen, all das ist sehr effektvoll, irgendwo zwischen Live And Let Die und Rufus Wainwright. Wenn Father John Misty dann nach einer kurzen Pause mit völliger Stille die Zeile „What’s your politics, what’s your religion?“ singt, ist das tatsächlich ergreifend und kein bisschen weniger kraftvoll als viele Momente auf den früheren Alben. Wer hätte das gedacht? In diesem Typ steckt nicht nur ein neuer Billy Joel, sondern vielleicht sogar ein Randy Newman.

Ziemlich irritierend sind die Erlebnisse im Video zu Mr. Tillman.

Website von Father John Misty.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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