Frank Carter & The Rattlesnakes – “End Of Suffering”

Künstler Frank Carter & The Rattlesnakes

Frank Carter & The Rattlesnakes End Of Suffering Review Kritik
Vom “End Of Suffering” kann bei Frank Carter & The Rattlesnakes noch keine Rede sein.
Album End Of Suffering
Label International Death Cult
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Im vergangenen Jahr hat die britische Regierung mit Jackie Doyle-Price erstmals einen Minister für Selbstmord-Prävention ernannt. Im Oktober 2018 wurde in London zudem die Premiere des „Global Mental Health Summit“ ausgerichtet. Das zeigt, welchen Stellenwert das Thema auf der Insel mittlerweile hat. Frank Carter darf für sich in Anspruch nehmen, an diesem Erfolg einen kleinen Anteil zu haben. Schon als Sänger bei Gallows und Pure Love sang er offenherzig über seine eigenen psychischen Probleme und die gesellschaftlichen Defizite, die durch Ignoranz oder Verdrängung von Mental Health Issues entstehen. Mit seinen neuen Bandkollegen engagiert er sich auch für die gemeinnützige Organisation CALM, die sich für Menschen einsetzt, die an Angstzuständen leiden.

Das dritte Album von Frank Carter & The Rattlesnakes ist nun zwar nach dem buddhistischen Begriff für Erleuchtung benannt, von einem End Of Suffering kann darauf aber natürlich keine Rede sein. Anxiety ist der Song, der das am deutlichsten macht. „Was auch immer das Leben dir gerade zumutet, es wird vorbei gehen. Lass es dich treffen oder ducke dich und beobachte, wie es vorbei fliegt und immer schneller in deiner Geschichte verschwindet. Es gab schon so viele Hindernisse, die sich dir in den Weg gestellt haben, und du hast sie alle überwunden“, beschreibt Frank Carter die Botschaft darin. Der Song ist okay, verweist aber zugleich auch auf das Kernproblem der in nur sechs Monaten aufgenommen Platte: Die Klasse der Kompositionen entspricht auf End Of Suffering nur sehr selten der Größe der artikulierten Verzweiflung. Die Gefühle sind riesig, die Probleme existenziell, aber die Musik von Frank Carter & The Rattlesnakes ist oft erstaunlich konventionell.

Erst recht gilt das, wenn man die Geschichte von Frank Carter betrachtet. „I’m a punk rock renegade“ singt er selbst in Kitty Sucker zutreffend, auch der Gastauftritt von Tom Morello (Rage Against The Machine) in Tyrant Lizard King verweist auf die Ära in seiner musikalischen Laufbahn, in der er deutlich radikaler unterwegs war als heute. Es gibt auf dieser Platte langweilige und pathetische Momente wie Angel Wings, manchmal eine hochgradig altmodische Ästhetik (auch im Text) wie Little Devil, auch öde und eitle Balladen wie den Titelsong End Of Suffering. An einigen Stellen merkt man deutlich, dass mit Cam Blackwood ein Produzent gewählt wurde, dessen Meriten eher im Pop liegen (George Ezra, Jack Savoretti) als in Rock, Punk oder gar Hardcore.

In einigen Passagen kann durch die Kombination aus großen Riffs und wenig Finesse an The Enemy denken. Die Single Crowbar kann man sich vorstellen wie Glasvegas in heavy. „Während der Unruhen in Paris habe ich ein Graffitti gesehen, das ich umwerfend fand, mit der Aussage: Wir haben schon Leute für weniger enthauptet! Ich liebe diese Attitüde. Die Menschen haben die Schnauze voll davon, immer nur Untergang und Katastrophen hereingepresst zu bekommen“, sagt Frank Carter zum Kontext dieses Songs. Latex Dreams hat eine Arctic-Monkeys-Ästhetik, die man auf End Of Suffering an einigen Stellen erkennen kann. Ein weiterer typischer Moment ist Love Games: Würde man den Gesang daraus extrahieren, würde er zu einem Song von Bon Jovi passen, auch Zeilen wie „If love is a losing game / then why do we play it again and again?“ passen dazu. Die Musik von Frank Carter & The Rattlesnakes hat natürlich deutlich mehr Ecken und Kanten, was in Summe eine zumindest interessante Kombination ergibt.

Im besten Fall ergibt das einen Song wie Supervillain, das sich von einem ruhigen Beginn zu einem starken Refrain aufschwingt, oder den Album-Opener Why A Butterfly Can’t Love A Spider, der rund um die zentrale Zeile „When I’m high, I’m in heaven / When I’m low, I’m in hell” viel Spannung und Drama aufbaut. Heartbreaker zeigt, bei aller Lust auf Provokation, bei allem Bekenntnis zu Punk zumindest als Mindset, bei all den Tattoos und wilden Liveshows, wofür Frank Carter & The Rattlesnakes im Jahr 2019 stehen: Das ist ein guter Rocksong, nicht mehr und nicht weniger.

Auch das Video zu Crowbar wirkt härter, wenn man den Ton abstellt.

Website von Frank Carter & The Rattlesnakes.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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