Frittenbude – “Rote Sonne”

Künstler Frittenbude

Rote Sonne Frittenbude Review Kritik
Ein Sommer in der Uckermark brachte die “Rote Sonne” hervor.
Album Rote Sonne
Label Audiolith
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Das vorletzte Lied auf dieser Platte ist einer von zwei Bonustracks. In Filmriss 2000 blicken Frittenbude auf die eigene Karriere zurück, natürlich mit dem notwendigen Anteil an Biss, Humor und Dialektik. Die „13 Jahre Frittenbude“, die Sänger Johannes Rögner und die Soundtüftler Martin Steer und Jakob Häglsperger darin thematisieren, scheinen ihnen indes manchmal selbst zu lang gewesen zu sein. Zuletzt gab es einige Soloprojekte, auch die gemeinsame Reise nach Nepal diente wohl nicht nur der Erholung und Reflexion, sondern auch der Evaluation: (Was) Wollen wir noch?

Die Antwort auf dem fünften Album Rote Sonne scheint zu lauten: Weitermachen, auf jeden Fall. Mit Spaß, Härte und Haltung. Frittenbude haben nach einem gemeinsamen Sommer im Studio eindeutig wieder/noch Lust auf diese Band.

Erster Beweis dafür ist das Energielevel, das in Krachern wie Kanister steckt. Der Song dürfte zum Highlight der anstehenden Konzerte (und der Festivals im Sommer) werden. Vida feiert die gelegentliche Unvernunft, der Refrain des Lieds wäre geradezu glamourös, wäre da nicht diese Nicht-Stimme von Johannes Rögner. Kill Kill Kill eröffnet das Album mit dem Update von New Wave, das so typisch für den Sound von Frittenbude ist, und einem Text, der die Widersprüchlichkeit unseres Lebensstils thematisiert – genau das erweist sich als zentrales Thema auch auf Rote Sonne insgesamt. Frittenbude haben keine Antwort, aber Ausreden wollen sie auch nicht hinnehmen, genauso wenig wie Lügen und Tricks. Man hört die Lust auf Revolution in dieser Musik, die zwar kein klares Ziel hat, aber den Verdacht: Es kann danach eigentlich nur besser werden.

Auch auf dieser Platte kann man selten benennen, worum es in den Texten genau geht, aber versteht intuitiv, was gemeint ist. Der Titelsong Rote Sonne ist ein perfektes Beispiel dafür mit seinem assoziativen Text, eingebettet in einen Sound, der direkt aus 1985 zu kommen scheint. Emma ist wohl tatsächlich ein Liebeslied, Insel blickt kritisch auf Weltenbummler, die auch keineswegs bloß Abenteuer wollen, sondern vor der Aufgabe wegrennen, irgendwo an- und mit den Zuständen in diesem Irgendwo klarzukommen.

Solche erwachsenen Momente sind der zweite Beweis für die Relevanz, die Frittenbude weiterhin für sich gefunden haben. Rote Sonne zeigt: Man kann diese Ästhetik weiterentwickeln, ohne sie zu entkernen. Die Single Süchtig illustriert das: Das Trio weiß längst, dass sich die hier besungene Sucht nicht nur auf bestimmte Substanzen bezieht, sondern auf die Möglichkeit von Flucht, Spaß und Hedonismus, und zwar möglichst auf Knopfdruck. Die Ballade (!) Goldie erweist sich als erfreulich kitschfreie und uneitle Liebeserklärung (!), etwa mit den Zeilen: „Ihr Haar ist wie ein Orkan, ihre Augen ein Ozean / und ihrem Kopf bist du eh nicht gewachsen.“ Alles was wir nicht tun versucht sich in Fatalismus angesichts des Endes einer Beziehung. Dieser Erzähler weiß, dass es nicht funktionieren wird, sich alles als egal einzureden, und er weiß auch, dass er die keineswegs immer so beglückende Zweisamkeit im Rückblick verklärt – das ist ein ziemlich reizvoller Zwiespalt.

Der Höhepunkt von Rote Sonne ist die Single Die Dunkelheit darf niemals siegen, bei der Jörkk Mechenbier von Love A mitwirkt. Man kann das zynisch nennen, zutreffender wäre aber: schmerzhaft ehrlich. „Schau meiner Toleranz weiter beim Verbluten zu“, heißt eine von vielen sehr schlauen Zeilen in diesem Song, mit dem Frittenbude den Versuch betrachten, anders, individuell und autark zu sein, wissend um die scheunentorgroßen Gefahr, sich genau dadurch zu uniformieren. Brennen nimmt noch einmal das große Ganze in den Blick, auch in Bezug auf die eigene Biographie. Das Trio erinnert sich an „damals, als wir so jung, laut und scheiße waren / und vor lauter Drang keine Freiheit sahen“. Auch für die Gegenwart beweisen sie hier unbändige Lust auf Leben, womit nicht nur Feiern gemeint ist, sondern auch Wachsamkeit, Gestaltung, notfalls Destruktion – auch dafür steht dieses „Brennen“.

Beinahe-Glamour wird auch im Video zu Vida ausprobiert.

Die Termine der Rote-Sonne-Tour:
15.03.2019 Hannover, Faust
16.03.2019 Hamburg, Uebel & Gefährlich
21.03.2019 Wien, Flex
22.03.2019 Salzburg, Rockhouse
23.03.2019 Graz, PPC
28.03.2019 Dresden, Scheune
30.03.2019 Berlin, Festsaal Kreuzberg
04.04.2019 Jena, Kassablanca
05.04.2019 Leipzig, Täubchenthal
06.04.2019 Wiesbaden, Schlachthof
11.04.2019 Münster, Gleis 22
12.04.2019 Essen, Hotel Shanghai
13.04.2019 Köln, Luxor
25.04.2019 Nürnberg, Z-Bau
26.04.2019 Stuttgart, Im Wizemann
27.04.2019 München, Muffathalle

Homepage von Frittenbude.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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