Futter für die Ohren mit Blood Red Shoes, Dutch Uncles, Pure Love, Aimee Mann und Fehlfarben

Pop wie in den Siebzigern bietet Aimee Mann auf ihrem neuen Album. Foto: Oktober Promotion
Pop wie in den Siebzigern bietet Aimee Mann auf ihrem neuen Album. Foto: Oktober Promotion

Fleißig sind die Blood Red Shoes, und großzügig noch dazu. Unmittelbar nach ihrer US-Tournee mit The Gaslight Anthem gingen Laura Mary Carter und Steven Ansell sofort wieder ins Studio, um in Dallas mit Produzent John Congleton (The Roots) die Water EP aufzunehmen. Einen Song daraus verschenken sie nun als Download bei Soundcloud. Auf Black Distractions (***1/2) darf vor allem Steven Ansell glänzen: Der Track legt ein sagenhaftes Tempo vor und man möchte wetten, dass bei den Aufnahmen die eine oder andere Trommel draufgegangen ist. Dazu kommen ein Riff und ein Gesangseffekt, die sicher auch Black Sabbath glücklich gemacht hätten. Das ist durchaus typisch für die gesamte EP: feurig, lüstern und voller Adrenalin.

Ebenfalls in Bestform präsentieren sich die Dutch Uncles (keine Holländer, sondern ein Quintett aus der Nähe von Manchester) auf ihrem gerade erschienenen dritten Album Out Of Touch In The Wild. Viel Experimentierfreude gibt es darauf, und sehr clevere Popmusik. Flexxin (***), das die Dutch Uncles derzeit im Tausch gegen eine E-Mail-Adresse auf ihrer Homepage als Gratis-Download anbieten, zeigt die Stärken der Band: Verspieltheit und Komplexität treffen auf schöne Melodien und eine einschmeichelnde Stimme. Die Streicher spielen gerne mal verrückt und die Gitarre steigert sich am liebsten in einen Rausch hinein. Die besten Hot Chip seit Hot Chip.

Als Sänger von Gallows hat sich Frank Carter einen Namen gemacht als einer der wildesten Männer in der britischen Musikszene. Pure Love heißt sein neues Projekt, gemeinsam mit Jim Carroll (ehemals The Hope Conspiracy & The Suicide File) – und wer da erstmal eine kleine Kostprobe haben möchte, wird prompt bedient: Auf der Homepage von Pure Love kann man Bury My Bones (***1/2) kostenlos herunterladen. Wer Hardcore-Punk wie in seiner alten Band erwartet, wird womöglich geschockt sein: Das Lied ist klassischer Rock im Stile von Free oder – man wagt es kaum auszusprechen – Guns’N’Roses. „Irgendwann wird es einfach langweilig, sich Abend für Abend selbst auf der Bühne kaputtzumachen. Ich bin schon irgendwie stolz auf das, was wir da früher gemacht haben – aber ich bin nun mal kein wütender Teenager mehr“, sagt Frank Carter. Dass das Pure-Love-Debütalbum Anthems heißt, ist demnach kein Zufall.

Album Nummer 13 war für Fehlfarben durchaus ein Glücksfall. Xenophobie hat es, wie die Vorgänger auch schon, wieder souverän unter die Top100 der deutschen Charts geschafft (nicht schlecht für eine Band, die einst – gegen ihren Willen – als Sprachrohr der Hausbesetzerszene inszeniert wurde), bei Byte FM, NDR Info und Radio Eins war die Platte (übrigens aufgenommen mit Beatsteaks-Produzent Moses Schneider) das Album der Woche. Bei Soundcloud gibt es noch den Track Hygieneporzellan (***) als Free Download. Irgendwo zwischen elektronischen Tocotronic (die sehnsüchtige Gitarre), NDW-Reminiszenz (der Discobeat) und Helge Schneider als neuem Frontmann der White Lies (der Gesang) entwickeln sich da vier Minuten ziemlich sagenhafter Einmaligkeit.

In Berlin, Köln und Hamburg hat Aimee Mann gerade die drei Termine ihrer Deutschlandtour absolviert. Wer von “one of the finest songwriters of her generation” (New York Times) noch immer nicht genug bekommen kann, wird auf der Homepage von NPR fündig. Dort gibt es Charmer (***), den Titelsong ihres aktuellen Albums, umsonst als MP3. Der Track ist wunderbar heiter und gelassen – wie das eben sein muss, wenn man im Stampede Origin Recording Studio in Los Angeles aufnimmt und den „Super-Pop“ der 1970er und 1980er als Inspiration nennt. Dazu eine Geschichte darüber, dass man sich als Verführer manchmal auch elend fühlt: sehr fein.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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