Axel Prahl – “Assel π”

Künstler Axel Prahl

Axel Prahl Assel Pi Albumkritik Rezension
Axel Prahl gibt seine Songs zum Remix frei.
Album Assel π
Label Buschfunk
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Natürlich wirkte das zuerst wie ein Vanity Project. Aber im Rückblick wird klar: Als Axel Prahl 2011 im reifen Alter von 51 Jahren sein Debütalbum Blick aufs Mehr vorlegte, hatte er viel mehr zu verlieren als zu gewinnen. Als Schauspieler beliebt und anerkannt, wagte er sich mit eigenen Texten und eigenen Songs auf ein gänzlich anderes Parkett, wo eigentlich kaum etwas für ihn zu erwarten war – zumal die eher peinlichen Vorgänger (besonders schlimm: Jan Josef Liefers’ Radio Doria) die Lust auf solche Ausflüge von Schauspielern in ein fremdes Metier bei Publikum und Kritik eher abgetötet als geweckt hatten.

Allerdings erntete Axel Prahl für seine Platte wohlwollende Kritiken und reüssierte auch mit einer sehr gut besuchten Tournee. Nicht zuletzt verdiente er sich die Anerkennung, dass die Musik für ihn weder fremd ist noch eine schnöde Nebentätigkeit zum Zeitvertreib: Schon als Achtjähriger begann er mit dem Gitarrespiel, auch ein Musikstudium auf Lehramt in Kiel ist Beleg für seine langjährige Begeisterung für diese Sphäre, ebenso wie eine Phase als Straßenmusiker.

Die Erkenntnis, dass er von Fans und Kollegen ernst genommen wird, und die luxuriöse Position, auf Erfolg als Musiker nicht angewiesen zu sein, nutzt Axel Prahl jetzt erneut für eine mutige Entscheidung: Er hat die Stücke von Blick aufs Mehr von anderen Künstlern neu interpretieren lassen. Das morgen erscheinende Remix-Album Assel π ist der Beweis dafür, wie sehr er in die Stärke der eigenen Songs vertraut.

Sein Freund Aydo Abay (Ex-Blackmail, Ken, Abay) hat die Remixer ausgesucht, das Ergebnis ist ein erstaunlich modernes Album, das tatsächlich ein ganz neues Licht auf Prahls Lieder wirft. „Als Aydo mir, vor ungefähr einem Jahr die ersten beiden Remixe zusandte, dachte ich: Was für eine hervorragende Idee! Jedem Musiker, der Lust hat sich dieser Herausforderung zu stellen, sei es erlaubt, mit den Tonspuren zu machen, was ihm gefällt. Ohne wenn und aber“, sagt Axel Prahl über das Projekt.

Vielleicht am besten zeigt Alle Mann an Deck in der Interpretation von Urlaub in Polen, was Assel π auszeichnet: Der Track ist kunstvoll, nicht nur in der Vorlage und in den orchestralen Passagen, sondern auch im Einsatz der Elektronik. Im Rotoskop-Remix von Wieso bist du immer noch da könnten Text und Melodie 80 Jahre alt sein, die Musik ist hochmodern. Ganz ähnlich funktioniert Ich bin nun mal so in der Bearbeitung von When People Had Computers: Das Lied könnte mal als Suite konzipiert gewesen sein, die dann allerdings einem Säureangriff ausgesetzt wurde. Diskotød, die aus Prahls Tatort-Wirkungsstätte Münster kommen, lassen Weitergehn klingen, als habe jemand Element Of Crime zusammen mit Tech-Nick in den Keller gesperrt.

Die Platte bietet eine enorme Genre-Vielfalt, von Lamberts instrumentalem Klavier-Opener Reise, Reise über den (ausgerechnet) Reggae, mit dem Monotone in Blick auf’s Mehr gegen Konsumwahn und die Gier unserer Zeit wettern, und Synthiepop inklusive Verweisen auf Soft Cells Tainted Love, den Tobi Morare als neues Klanggewand für denselben Song wählt, bis hin zu Weitergehn, das Tarac in die Nähe von Bristol (also: Massive Attack) führen zu scheint. Fast alles bleibt höchst stilsicher, auch in den mutigsten Momenten wie Wilde Welle von Freddy Knop.

Auch einige sehr bekannte Namen hat Aydo Abay gewinnen können: Fehlfarben verpassen ihrem Pyrolator Remix von Passagiere einen Easy-Listening-Sound – so hatte man sich vielleicht mal das Alterswerk von Udo Lindenberg vorgestellt. Rainer Schaller (Slut, Pelzig) zeigt als Ultraschaller, dass die Songs von Axel Prahl als Sänger und Komponist nichts von der Prominenz aus seinem anderen Beruf brauchen. Timtim, Gitarrist von MIA, sorgt dafür, dass auch in seiner Neubearbeitung von Ich bin nun mal so in der Zeile „Ich bin nun mal so wie ich bin“ nicht ein Promille von einer Entschuldigung steckt. Einziger prominenter Ausfall ist die nervtötende Polonaise Internacional, für die das Phantom Orchester verantwortlich ist, das aus Paul Ryzttka und Sportfreunde-Stiller-Bassist Rüde besteht.

Dass einige Songs gleich in verschiedenen Varianten zu hören sind, macht die Platte eher interessanter als dass es wie eine Dopplung wirkte. Mit Rotoskop darf auch einer der beteiligten Remixer gleich zweimal ran, er steuert nämlich auch noch Schön, dass du da bist bei. „Rotoskop ist einer der unterschätztesten Musiker, die ich kenne. Für dieses Album hat er vier Versionen abgegeben. Jede davon war gut. Die Entscheidung für einen Song fiel uns schwer, also einigten wir uns kurzerhand auf zwei Favoriten“, sagt Aydo Abay.

Einer der erstaunlichsten Effekte von Assel π ist es, wie viel Kraft die Stimme von Axel Prahl auch in diesen Überarbeitungen bewahrt. Bla Bla Bla von Zellophane ist ein Beispiel dafür: Selbst im elektronischen Gewand samt Vocoder-Stimme bleibt das eine wirkungsvolle Kritik an der allgemeinen Unernsthaftigkeit. Prahl schafft es, uneitel zu klingen, selbst bei Texten in der Nähe von Chanson oder Brecht/Weill, die leicht blasiert wirken könnten. Und das ist vielleicht sein Vorteil als Spätstarter: Dieser Gesang ist gesättigt mit Leben, und genau das verleiht seiner Stimme Autorität.

Eine Anekdote aus dem echten Leben führte auch zum Titel dieser Platte: „Assel, so nannte mich ein chilenischer Fahrer namens José immer, weil er meinen Namen nicht anders aussprechen konnte“, erzählt Axel Prahl. „Ich nannte ihn daraufhin Chaussee. Assel heißt aber auch ein kleines, beeindruckendes und ziemlich unverwüstliches Tier, dass sich gern in dunklen, feuchten Kellern rumtreibt und so war ich der Meinung, dass könnte wohl gut passen.“

Am Ende gönnt er sich noch ein bisschen Klamauk. Mit Für ein Amt reiht er sich irgendwo zwischen Heinz Schenk, Heinz Rühmann und Mike Krüger ein. Der abschließende Track von Rocko Schamoni blickt in Hörspiel-Manier hinter die Kulissen des Albums und geht der Frage nach, was man beim Remixen alles falsch machen kann. Natürlich ist das ironisch gemeint – denn auf dieser Platte machen sehr viele Leute sehr vieles richtig.

Axel Prahl singt Übers Meer.

Demnächst gibt es wieder Konzerte von Axel Prahl.

18.05. Kaarst – Einstein-Forum

19.05. Schwerte – Rohrmeisterei

02.06. Konstanz – Zeltfestival

18.06. Neuhardenberg – Schlosspark

15.07. Bad Pyrmont – Schlosshof

16.07. Chemnitz – Wasserschloss Klaffenbach

17.07. Senftenberg – Amphi-Theater

Website von Axel Prahl.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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