Black Mountain – “IV”

Künstler Black Mountain

Black Mountain IV Kritik Rezension
Black Mountain ließen sich von ihren eigenen Nebenprojekten inspirieren.
Album IV
Label Jagjaguwar
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Mit Malerei vergleicht Joshua Wells, der Schlagzeuger von Black Mountain, die Musik seiner Band. „All sound colour. And space is really important. People think of us as this heavy rock band – and we are sometimes – but it has to be tempered with space. There has to be these emotional cues. It’s not just about rocking out.”

Um im, ähem, Bild zu bleiben: IV ist so etwas wie ein Gemälde in Dripping-Technik. Alle möglichen Farben werden scheinbar willkürlich auf die Leinwand geschleudert, und so entstehen Kombinationen, Formen und Eindrücke, die man nie erwartet hätte. Oft wirkt der Band aus Vancouver hier, als sei es das wichtigste Ziel von IV (jawohl: ihr viertes Studioalbum) gewesen, jeden Song von genau dem Song folgen zu lassen, den man in diesem Moment am wenigsten erwartet hätte.

Das Ende des ersten Drittels dieser Platte ist ein gutes Beispiel dafür. Es beginnt mit You Can Dream. Wenn Stephen McBean darin singt „You can dream / come on, baby, dream“, dann klingt das eher wie ein Befehl denn wie ein Trost, auch weil sich später militärische Trommelwirbel hinzugesellen und das Ganze ohnehin vielleicht nicht nach Alb-, aber doch nach West-Coast-Fiebertraum klingt. Gefolgt wird dieser Track von Constellations, mit einem knochentrockenen Beat inklusive Kuhglocke, der an dieser Stelle wirkt, als würde plötzlich eine andere Band spielen. Diese Effekt wiederholen Black Mountain dann gleich noch einmal, denn es schließt sich Line Them All Up an, das erst akustisch ist und dann fast orchestral.

McBean führt diese Vorliebe für Genre-Clashs (und die Beliebtheit seiner Band) auf ein Phänomen zurück, das er den „modernen YouTube stoner“ nennt. „Kids discover their own alternate universes online, from Cologne to Melbourne… Detroit to Laurel Canyon… the ice age to annihilation. There’s a new scene with a different set of headphones creating a postmodern futuristic Fantasy Island”, hat er erkannt – und Black Mountain liefern die Musik für diese Insel.

Cemetery Breeding ist einer der Höhepunkt. Es erweist sich als Liebeslied, das eine große Weite der Landschaft andeutet, ebenso wie den winzigen Raum, der in diesem Herzen noch unversehrt ist und somit vielleicht Platz für Vertrauen bietet. “A dark pop song with an emotive urgency to it that taps into my teenaged eyeliner-and-trenchcoat wearing sensibilities”, sagt Joshua Wells über diesen Track – und trifft es damit genau. Wenn Keyboarder Jeremy Schmidt scherzt, die Band habe mit dem Gedanken gespielt, das Album Our Strongest Material To Date zu nennen, versteht man jedenfalls schnell, wie dieser keineswegs übertriebene Arbeitstitel zustande kam.

Dabei profitieren Black Mountain auch von den Experimenten, die sie mit ihren zahlreichen Nebenprojekten machen. Die Idee für Mothers Of The Sun, den Auftakt von IV, entstand beispielsweise, als Schmidt einen Song seines Nebenprojekts Sinoia Caves spielte. “It’s actually an older song which we couldn’t get quite right before. It has all the elements that we gravitate towards, built into one miniature epic”, sagt er. Besagte Elemente sind unter anderem ein Riff, das nicht nur hart ist, sondern heavy, dann die wundervolle Stimme von Amber Webber, dann der Gesang von Stephen McBean, der ebenso getragen und verführerisch ist. All diese Zutaten bleiben streng voneinander getrennt als hätten sie Angst voreinander. Erst ganz am Ende, nach mehr als fünf Minuten, wagen sie eine Begegnung und finden so ihr Ziel.

Ein ähnliches Prinzip greift auch am anderen Ende des Albums. Beim mächtig bekifften Rausschmeißer Space To Bakersfield kann man es fast unverschämt finden, wie viel Zeit sich das Lied nimmt, bis man merkt, dass es gerade daraus seine Kraft bezieht. Crucify Me wirkt unmittelbar davor wie einer dieser besinnlichen Momente von Primal Scream, das sehr druckvolle Florian Saucer Attack könnte man in der Nähe von Duke Spirit verorten. Aber immer wieder bietet die mit Produzent Randall Dunn in Seattle aufgenommene Platte derart spannende Widersprüche und Entwicklungen, dass man kaum einen anderen Referenzpunkt als Black Mountain selbst finden wird.

Die achteinhalb Minuten von Mothers Of The Sun sind eindeutig für den modernen YouTube-Stoner konzipiert.

Website von Black Mountain.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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