Hingehört: Dave McCabe & The Ramifications – “Church Of Miami”

Künstler Dave McCabe & The Ramifications

Cover des Albums Church Of Miami von Dave McCabe
Prince und Beck gehören zu den Aposteln der “Church Of Miami”.
Album Church Of Miami
Label 1965 Records
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Nach dem Ende der Zutons ist deren Frontmann Dave McCabe nun also in einer Sekte gelandet. Church Of Miami heißt das erste Album seines neuen Projekts. Wie alle Kirchen verspricht auch diese Glaubensgemeinschaft moralische Orientierung, Lossagung von Übel, Hoffnung, Rituale, Zusammengehörigkeit, Aufopferung.

“I am here, I am here for you”, lautet die Beteuerung in Servant To His Master, dem letzten Lied der Platte, das zugleich bedingungslose Hingabe verspricht und Identifikation einfordert. „Trust me / I will not deceive you“, heißt das Heilsversprechen in Trust Me, untermalt von Musik aus einer Zeit, in der Rap noch „Electric Boogie“ hieß und Prince noch in einem Atemzug mit Johann Sebastian Bach genannt wurde. “Take this weight off my mind”, fleht Dave McCabe dann in 204, und es klingt, als würde Beck ein Stoßgebet sprechen.

Und doch ist da ein seltsamer Unterton auf Church Of Miami. “You’re not the one / you’re nothing but a fake emotion”, lautet der Vorwurf in Fake Emotion, und das hat dann durchaus ein bisschen was von Gotteslästerung. „Get out of my heart / get out of my face”, verlangt McCabe in Let Me Go, das in reichlich Wah-Wah getaucht ist und wunderbar mellow wird. Schließlich kann man in Intertwine nicht sicher sein, ob Dave McCabe da von Verführung spricht, von Verschmelzen oder von Gehirnwäsche.

Auch wenn hier sehr oft ein imaginäres Gegenüber, eine höhere Gewalt angesprochen wird, so muss man doch glauben, der Mann aus Liverpool sei in seiner eigenen Sekte vom Glauben abgefallen. Denn unzweifelhaft geht es hier auch um Emanzipation, um das Leugnen von einfachen Wahrheiten, um das Hinterfragen von Entwicklungen und Rahmenbedingungen, die alle anderen gerne für selbstverständlich halten wollen.

Damit ist man beim tatsächlichen Thema der Platte, denn Church Of Miami behandelt keineswegs Religion oder Spiritualität, sondern Technologisierung, Automatisierung, Entmenschlichung. “It’s about a fella who falls in love with a robot, but after a while he realizes that he actually needs some real human contact”, erklärt Dave McCabe die Ausgangsidee. “Its scary man, you look at the way technology is going then you look at the way humanity is going and it’s like technology is going to start edging ahead of us and be more advanced than we are as humans. You look at how little we interact now on a normal level, we just do everything through our phones, we’re so reliant on gadgets and stuff you wonder where it ends”, meint er.

Entsprechend ist auch die Musik deutlich elektronischer als sie es jemals bei den Zutons war. Der Titelsong Church Of Miami klingt wie aus der Zeit, als Synthesizer noch analog (und futuristisch) waren. Who’s That Talking ist gegen Ende des Albums eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie akustische und elektronische Instrumente hier gemeinsam genutzt werden, um aus vielen guten Ideen einen sehr guten Song zu machen. “I wanted to do something that wasn’t a guitar record”, betont der 34-Jährige. “There’s loads of music I’ve always been into, things like Kraftwerk, Depeche Mode, Human League, more electronic stuff that was totally different to what we’d been doing in the Zutons. I wanted to do my own version of a Grand Theft Auto soundtrack basically.”

Das ist ihm gelungen. Church Of Miami ist ein großes Vergnügen, ein Album, das man niemals so von Dave McCabe erwartet hätte und in dem er sich dennoch ganz und gar wohl zu fühlen scheint. Es dürfte weltweit kaum andere Religionen geben, die so viel Spaß machen.

Dave McCabe wird ferngesteuert im Video zu Too Damn Good.

Dave McCabe bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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