Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen – “Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen”

Künstler Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen Albumcover Kritik Rezension
Frauenstimmen und windschiefe Chöre sind die Neuigkeiten des dritten Albums der Liga.
Album Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen
Label Tapete
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Ganz kurz ist man enttäuscht von dieser Platte. Legt man das dritte Album der Liga der gewöhnlichen Gentlemen erstmals auf, ist man bereit für einen unnachahmlichen Mix aus Soul, Pop und Punk. Man möchte eintauchen in die Welt dieses Quintetts, in der „alles etwas heller, etwas rauer und herzlicher“ ist, wie Bernd Begemann im Pressetext zu dieser Platte sehr treffend schreibt. Man erwartet – zumal bei einem Albumtitel wie Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen – ein Feuerwerk.

Statt eines Krachers zu Beginn erklingt dann allerdings mit Der beste Zechpreller der Welt ein eher getragenes Stück, das nicht nur wegen des Glockenspiels eher zu Erdmöbel passen würde als zu Superpunk (von denen Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen zwei Mitglieder und die Plattenfirma übernommen hat). Was soll man davon halten?

Die Antwort ist: Der Auftakt ist bloß ein Bluff. In den folgenden neun Stücken bieten Carsten Friedrichs, Tim Jürgens, Philip Morten Andernach, Gunther Buskies und Heiko Franz wieder reichlich ihrer bekannten Stärken. Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort vereint Punch und Augenzwinkern und dazu ein loderndes Manifest für Liebe und Faulenzen statt Fleiß und Karriere. Die Affen sind unruhig wird ein sehr cooles Instrumental. Wärst du nicht hier erweist sich als putziges Liebeslied mit schönem Disco-Refrain.

Es gibt auch ein paar neue Features, so setzt die Liga noch öfter (gerne etwas windschiefe) Chöre ein und auch ein paar Gäste wie Andreas Dorau, Peta Devlin, Bernd Begemann oder Marcel Gein sind geladen. Vor allem die Stimme von Peta Devlin verleiht einigen Songs eine reizvolle neue Facette.

Das nach wie vor Wundervollste an dieser Band ist aber ihr Bekenntnis zu dem, was Bernd Begemann „ein geglücktes Leben in der Katastrophe“ nennt. Man darf in den Augen der Gesellschaft ein Verlierer sein, wenn man aufrecht, romantisch und schick dabei bleibt – das ist das Prinzip dieser Band, auch auf Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen.

Sie besingen zu feinstem Barock-Pop tatsächlich (oder metaphorisch) eine Abdeckerei für alte Nutztiere (Mrs. Svendsens Heim für Esel). Sie stimmen eine Hymne auf Das härteste Mädchen der Stadt an, inklusive der Warnung, dass sie natürlich eine Unerreichbare bleiben wird („Hast du sie auch noch so gerne / verehre sie lieber aus der Ferne“). Sie beschließen das Album mit der Nostalgie von Die Kampfbahn im Sonnenschein, das sich sowohl auf Gentrifizierung beziehen lässt als auch auf das eigene Altwerden. Sänger und Texter Carsten Friedrichs weiß, dass er ein Überbleibsel ist, das eher das „Echo einer Zeit, die längst vergangen ist“ verkörpert als den Puls der Zeit, wenn er dieses Lied anstimmt.

Wenn sie in Die ganze Welt ist gegen mich (Blues für Rolf Wütherich) mit Call & Response am Beginn und wilden Trommeln am Schluss von vergessenen Helden singen, dann sind das natürlich tragische Helden wie der im Titel benannte Mann, der auf dem Beifahrersitz saß, als sich James Dean zu Tode raste. Und wenn sie Liebeslieder singen, steckt auch darin das Ethos dessen, was Leonard Cohen den „Beautiful Loser“ genannt hat. „Ich bin gut / gut genug / Ich bin gut genug für dich“, heißt es in Ich bin gut genug für dich – das ist genau die rührende Ehrlichkeit, die auch in Bruce Springsteens „You ain’t a beauty, but hey, you’re alright“ (aus Thunder Road) steckte.

Natürlich hat Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen auch wieder eine Hymne gemacht, die allein umwerfend genug ist, um die Existenz dieser Band zu einem grandiosen Glücksfall zu machen. You Are Great But People Are Shit heißt dieses Lied, und es handelt von der Gewissheit, das Richtige zu tun, auch wenn die Welt davon nichts wissen will. Carsten Friedrichs liefert sich darin einen Dialog mit Vincent van Gogh („Ein verkanntes Genie genau wie ich“), in der eigenen Küche, bei einem Gläschen Absinth. Das ist nicht nur herrlich größenwahnsinnig, sondern auch ein rührendes Bekenntnis zur Kraft des Kreativen, des Stils und der Geradlinigkeit. Dieses Ethos erinnert, ebenso wie der Sound des Stücks, an Art Brut, die etwa mit der Forderung „The record buying public shouldn’t be voting“ ebenfalls längst erkannt haben, dass man sich auf den Geschmack seiner Zeitgenossen nicht verlassen sollte. Jedenfalls nicht, bis Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen weltweit auf Platz 1 der Charts steht. Wo es nämlich hingehört.

Wie man sich die Rechnung spart, zeigt das Video zu Der beste Zechpreller der Welt.

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist im Frühjahr auf Tour:

03.02.16 Kiel/Schaubude
04.02.16 Höxter/Tonenburg
05.02.16 Essen/Grend
06.02.16 Aachen/Raststätte
10.02.16 Bielefeld/Bunker
11.02.16 Stuttgart/Schocken
12.02.16 Mainz/Schon schön
13.02.16 Düsseldorf/Tube
30.03.16 Leipzig/Ilses Erika
31.03.16 München/Milla
01.04.16 Nürnberg/Stereo
02.04.16 Dresden/Ostpol
07.04.16 Ravensburg/Zehntscheuer
10.04.16 Wien/Chelsea
20.05.16 Hamburg/Hafenklang
21.05.16 Berlin/Monarch

Website der Liga der gewöhnlichen Gentlemen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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