Hingehört: Sekuoia – “Flac”

Künstler Sekuoia

Sekuoia Flac Kritik Rezension
Nach drei EPs ist “Flac” das Debütalbum von Sekuoia.
Album Flac
Label Humming Records
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Man könnte Bekenntnis-Lieder erwarten, wenn ein 23-Jähriger seinen ersten Longplayer vorlegt und die Tracks dann Someone’s Problem oder Honestly heißen. Aber nix da: Bei Sekuoia gibt es keine Bekenntnisse. Es gibt überhaupt keine Texte.

Was der 23-jährige aus Kopenhagen, der bürgerlich Patrick Bech-Madsen heißt, nach seinen drei vorangegangenen EPs Trips (2011), Faces (2012) und Reset Heart (2015) stattdessen auf seinem übermorgen erscheinenden Debütalbum abliefert, ist elektronische Musik mit großer Feinfühligkeit, bei der das Fehlen von Gesang keineswegs auf Kosten der Dynamik geht.

„I’ve worked really hard on making the songs sound both dreamy and poppy, without ever being corny. To give it some edge and make it a bit darker and more electronic than previously. It doesn’t have to be so chilled out. I like to imagine the album being played at night in a dark venue“, sagt Sekuoia. In dunklen Clubs kennt sich der Däne durchaus aus: Er ist ziemlich umtriebig in der House- und Technoszene seiner Heimatstadt, was Flac auch beeinflusst hat, wie er sagt: „The most crucial thing for me as a musician is to keep constantly pushing forward. Playing a ton of late night shows has definitely driven me in a more beat-oriented direction.”

Ganz wunderbar könnte man sich seine Tracks nicht nur im Club, sondern auch als Untermalung von Werbespots vorstellen, und diese Idee vermittelt vielleicht am besten einen Eindruck davon, wie die zehn Stücke auf Flac klingen.

Rayanne könnte einen Clip für eine Fluggesellschaft vertonen, die nur zu den exklusivsten Party-Locations der Welt fliegt und dabei im Bordkino gerne düstere Science-Fiction-Filme zeigt. Aer klingt wie die akustische Entsprechung eines Autos, das nicht mit Image und Lifestyle beim Kunden punkten will, sondern tatsächlich mit neuer Technologie, wahrscheinlich einem sehr starken Motor und einer großen Portion Vielseitigkeit. Someone’s Problem wäre die perfekte Wahl für einen Fruchtsaft mit halluzinogener Wirkung, Neonfarben und Fair-Trade-Siegel.

Man kann die Idee noch weiterspinnen. Certain wäre nicht nur ein passender Sound, sondern auch ein passender Name für ein Parfüm, das schwer, verführerisch und sauteuer ist. Rek sollten sich die Marketingfachleute eines Logistikanbieters dringend anhören, der seine Geschwindigkeit, Präzision und weltweite Vernetzung mit der passenden Musik betonen will. Honestly würde sicher den Verkauf eines Medikaments beflügeln, das sehr süße, aber etwas unruhige Träume verspricht.

Bashed wäre die perfekte Hymne für eine Partei, die militärischer Symbolik nicht abgeneigt ist, Ekstase zum wichtigsten Programmpunkt erklärt und die ultimative Glückseligkeit verspricht. Beau klingt wie die Musik aus einem Computerspiel, bei dem man sich per Jump & Run durch den karibischen Dschungel bewegen muss – die Siegchancen steigen dabei deutlich, wenn man bereits ein paar Mojito zu viel intus hat, für den Triumph über den Endgegner wird man dann mit dem Anblick eines magischen Sonnenuntergangs belohnt.

Zweimal dürfen auf Flac auch Stimmen erklingen, auch dann ist die Werbespot-Analogie aber nicht unsinnig: Lamp In The Dark (mit Kill J.) passt zu einer Versicherung, die alles halt, was sie verspricht, aber viel mehr von dir nimmt, als du dir vorstellen kannst. Brace könnte (nicht nur wegen der zentralen Zeile „Give me a moment“) ein Smartphone mit einer sehr innovativen Selfie-Funktion anpreisen. Der Track ist mit Marc Roland (Kentaur) entstanden, sagt Sekuoia. „I was amazed by Marc’s harmonies and how he approached the track. Brace is definitely different than what I’ve ever done. With Brace I wanted to make a soulful track that balanced between something contemporary and electronic, and something that didn’t sound like a band playing.”

Das ist ihm gelungen, und auch seine Zielsetzung für das gesamte Album hat Sekuoia sehr beeindruckend erreicht: „I’ve called it Flac ’cause in the process of making this record, I’ve had a fear of neglecting certain aspects of my music and what I wanted the album to be. I sort of wanted an album that reflected an aesthetic more than a certain style. I wanted cold and warm to meet, and lo-fi and hi-fi to play together.”

Keine Ahnung, wofür das Video zu Brace werben möchte. Vielleicht für den Herbst.

Im Oktober gibt es Konzerte von Sekuoia in Deutschland:

18.10.2016 Berlin, Prince Charles
21.10.2016 München, Orangehouse
27.10.2016 Köln, YUCA
29.10.2016 Hamburg, Molotow

Sekuoia bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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