Hingehört: Omega Male – “Omega Male”

Brighton und Brooklyn, analog und digital treffen bei Omega Male aufeinander.
Brighton und Brooklyn, analog und digital treffen bei Omega Male aufeinander.
Künstler Omega Male
Album Omega Male
Label Full Time Hobby
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung **1/2

Für Alpha-Männchen läuft es ja gerade nicht allzu gut. Felix Magath? Gefeuert. Silvio Berlusconi? Verurteilt. Die Männer des Jahres? Kasperköpfe wie Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Vielleicht ist es höchste Zeit für ein neues Konzept. Zum Beispiel das Omega-Männchen.

“Ein Omega-Männchen könnte man als so etwas wie das Gegenteil vom Alpha-Männchen begreifen”, erklärt David Best. Er muss ein Experte sein, schließlich ist er der Sänger bei Omega Male. „Ein Omega-Männchen wird wahrscheinlich nie Pilot werden oder der Boss von einem Pharmaunternehmen. Er wird stattdessen wahrscheinlich Chips essen und die Welt aus einem etwas entrückten Blickwinkel betrachten, so als würde er bloß fernsehen. Und nichts, was dabei passiert, kann ihn in seinem Dasein stören.“

Ich bin nicht ganz sicher, wie es um den Fortbestand der menschlichen Rasse bestellt wäre, wenn tatsächlich alle Exemplare unserer Gattung, die über ein Y-Chromosom verfügen, plötzlich diese Mentalität an den Tag legen würden. Omega Male beweisen mit ihrem Debüt irgendwo in der Nähe von Bodi Bill oder Werle & Stankowski aber, dass es zumindest ein reizvoller Versuch werden könnte.

Dass David Best (aus Brighton, zudem bei Fujiya & Miyagi im Einsatz) und Sammy Rubin (aus Brooklyn, hauptsächlich bei Project Jenny, Project Jan aktiv) für ihr Projekt bei so viel Entspanntheit ein bisschen länger gebraucht haben, ist nicht sonderlich verwunderlich: Kennen gelernt haben sie sich schon 2007, Anfang 2010 haben sie dann begonnen, per Mail erste musikalische Ideen auszutauschen, nun ist das Debütalbum Omega Male fertig.

Der Titelsong ganz zu Beginn gibt die Richtung vor: Eine Computerstimme, die auch Kraftwerk nicht androider hätten hinbekommen können, sagt immer wieder „Alpha, Beta, Omega“, dazu kommen dann nach und nach ein robust-nervöser Beat, ein fast geflüsterter Gesang und eine Stakkato-Gitarre. Der Mix aus echten Instrumenten und synthetischen Sounds ist einer der spannendsten Aspekte der Platte, etwa in You Bore Me To Tears, das mit seinen Bläsern wohl so etwas wie Electrosoul werden möchte. “There’s definitely a running battle between digital and analogue throughout the record, which is interesting,” sagt David Best. “There’s a little passive aggressiveness in a few of the songs too. I don’t know why. Maybe I was feeling a little passive aggressive. That would explain it.”

In Wax & Glue (der Text beschreibt das wohltuende Gefühl, Nadeln in eine Voodoo-Puppe zu stecken) droht eine Orgel wahnsinnig zu werden. Ein schweres Piano dominiert Blue Narcissus, das den Ärger all jener thematisiert, die bei den letzten Parlamentswahlen in England die LibDems gewählt haben, weil sie die Tories nicht als Regierung wollten – und dann eine Koalition aus beiden bekamen.

Die Single Testosterone könnte gut zu den Gorillaz passen, für das Lied haben sich Omega Male sogar einen eigenen Tanz ausgedacht. “You’d dig, crouch down, then throw whatever imaginary thing that was on the spade over your head. Then do it again”, erklärt David Best die dazugehörige Choreographie. „I always picture the dance when I listen to the song.” Try it yourselves – it’s fun.”

Uh-Pol-Uh-Jet-IK lässt an Laid Back denken und zumindest erahnen, warum die Plattenfirma dieses Album als ”laptop sex music” anpreist. Rotten Fruit klingt wie Hot Chip, die gerade versuchen, ihr eigenes Equipment zu beschwichtigen. No könnte als James-Bond-Soundtrack funktionieren, falls 007 sich jemals im Genre der eher melancholischen Science Fiction versuchen sollte. Auch der orchestrale Rausschmeißer Buildings Like Symphonies lässt an Filmmusik denken und gibt zudem einen wichtigen Hinweis auf die Songstrukturen von Best und Rubin: Sie machen keine Gebäude, die wie Symphonien aussehen, sondern Tracks, die wie Gebäude konstruiert sind. Fast in allen Stücken kann man Fundament, einzelne Etagen und den schmückenden Zierrat ausmachen.

Die Detailversessenheit ist ein großer Pluspunkt für Omega Male, trotzdem fehlen der Platte ein paar Ausreißer nach oben oder Momente mit Wiedererkennungseffekt. Auf Dauer kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es spannender wäre, mit Omega Male über diese Musik zu reden als die Musik tatsächlich anzuhören.

Als Omega-Männchen scheint man auch mit Sehstörungen zu kämpfen zu haben, deutet das Video zu Testosterone an:

httpv://www.youtube.com/watch?v=iVj4rhFWnrg

Omega Male bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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