Shit Robot – “From The Cradle To The Rave”

Künstler Shit Robot

Wer hätte das gedacht? "From The Cradle To The Rave" ist wirklich ein treffender Titel für diese Platte.
Wer hätte das gedacht? “From The Cradle To The Rave” ist wirklich ein treffender Titel für diese Platte.
Album From The Cradle To The Rave
Label DFA
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

Schlechte Albumtitel sind keine neue Erfindung. The Who haben eine Platte namens Meaty Beaty Big And Bouncy veröffentlicht. Limp Bizkit, die ja auch mit der Coverversion von Behind Blue Eyes versucht haben, das The-Who-Erbe weiterzutragen, haben es geschafft, ein Album mit dem schönen Titel Chocolate Starfish And The Hotdog Flavored Water an die Spitze der Charts zu bringen. Frank Zappa behauptete einst auf einer LP-Hülle Weasels Ripped My Flesh (da geht noch mehr: sein schrägster Songtitel ist wahrscheinlich Why Does It Hurt When I Pee? aus dem Jahr 1978). Jon Anderson spielte Live From La La Land und Bon Jovi merkten womöglich nicht einmal, dass sie mit ihrem Boxset 100.000.000 Bon Jovi Fans Can’t Be Wrong auf die Geschichte von den Fliegen und der Scheiße anspielten.

Richtig schief gehen Albumtitel aber vor allem dann, wenn sich ein Musiker an Wortspielen versucht. 12 Inches Of Snow von, nunja, Snow – noch ein harmloses Beispiel. Big Willie Style von Will Smith – eine beinahe erträgliche Anzüglichkeit. Ganz oben in der Liste der richtig fiesen Albumtitel rangieren ganz andere Kaliber. Wie wäre es mit den Butthole Surfers und Hairway To Steven? Oder, mein persönlicher Favorit: You Can Tune A Piano But You Can’t Tuna Fish, der achte Longplayer von REO Speedwagon?

Marcus Lambkin, der Mann, der im Kern Shit Robot ist, befindet sich also in illustrer Gesellschaft, wenn er seine Platte From The Cradle To The Rave nennt. Man muss sogar davon ausgehen, dass er die meisten der oben genannten Entgleisungen kennt. Denn From The Cradle To The Rave ist zwar das Debütalbum von Shit Robot. Lambkin ist aber schon 40 Jahre alt, und zudem ein Mann, der sein Leben lang ein Musikbesessener war. Als Teenager in der Nähe von Dublin hörte er Punk, dann entdeckte er Acid House, ging nach New York und wurde DJ. “We thought it that this was going to change the world,” erinnert er sich an die Blütezeit von Acid House Ende der 1980er Jahre. “Certainly, I’ve never been the same since.” From The Cradle To The Rave – das mag ein misslungenes Wortspiel sein, ein passendes Motto für das Leben von Marcus Lambkin ist es aber trotzdem.

Mit den neun Tracks auf From The Cradle To The Rave spürt er dieser Euphorie und dieser Zeit nach. “To an extent, I’m always chasing that feeling from ’89, of pills and sweat and how it all felt so new and fresh”, erzählt er und gesteht zugleich ein: “Now, of course, a lot of those records sound really bad, but, still, there’s a certain feeling to them. It’s about making that relevant today.”

Das gelingt ihm auf From The Cradle To The Rave nicht nur, weil er hier vorführen kann, wie meisterhaft er House verstanden hat. Er profitiert auch von namhaften Mitstreitern. Denn während seiner Zeit in New York (inzwischen lebt Lambkin in einem Schloss in der Nähe von Stuttgart, weil er sich in eine Deutsche verliebt hat, die sich praktischerweise als Gräfin entpuppte) lernte er unter anderem James Murphy kennen, mittlerweile legendär als Gründer von DFA, Kopf von LCD Soundsystem und Produzent der Arctic Monkeys. Shit Robot – das war ursprünglich ein aus Murphy und Lambkin bestehendes DJ-Team, und der DFA-Mann hat From The Cradle To The Rave nun koproduziert und zudem an einigen Stücken mitgeschrieben.

Beispielsweise stammt der Text zum Opener Tuff Enuff von ihm, die Musik dazu vereint Chicago House mit klassischen Disco-Elementen und einem Kraftwerk-Break. Alexis Taylor von Hot Chip singt das leicht verspielte Losing My Patience. Ian Svenonious von The MakeUp steigert sich so mächtig in das durchgeknallte Simple Things (Work It Out) hinein, dass man am Ende fast einen Nervenzusammenbruch befürchten muss. Das zackige Answering Machine bekommt den Gesang von Janine Rostron verpasst, besser bekannt als Planningtorock. Das vergleichsweise poppige Take ‘Em Up mit der Stimme von DFA-Buddy Nancy Whang lässt nachvollziehen, wie Shit Robot einst mit Eurodance-Hits die Clubszene in New York aufmischten. Labelkollege Juan Maclean darf sich in Grim Receiver mit angedeuteten Hardrock-Gitarren anlegen.

Bei I Found Love gibt es zwar keinen Stargast, aber Lambkin hat seine eigene Stimme so tief herunter gepitcht, dass sie nach Barry White oder zumindest Tom Jones klingt – wenn die sich jemals mit der überzeugenden Textzeile „I found love in the discotheque“ um den Job als neuer Sänger bei Daft Punk bewerben sollten. I Got A Feeling ist so etwas wie Soul-Rave und der Rausschmeißer Triumph!!! dürfte in balearischen Gefilden der perfekte Übergang von der Club-Euphorie zum Strand-Chillout werden.

Gerade diese ruhigeren Passagen sind es, die aus einem gelungenen Album ein gutes machen. Denn die nachdenklicheren Texte sind höchst ungewöhnlich in diesem Genre, stehen Shit Robot aber gut zu Gesicht. Marcus Lambkin hat dann auch eine ziemlich einleuchtende Erklärung für diese Besonderheit: “I like to make retarded dance music for people to get drunk and dance to. But, at the same time, I’m a typical grumpy Irish fucker. I’m not going to have an album about skipping through the daisies.”

Das Video zu Tuff Enuff zeigt, wie Origami für Fortgeschrittene funktioniert:

httpv://www.youtube.com/watch?v=DeJ3hSWp5RA

Shit Robot bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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