Hingehört: Sue – “You”

Immer bloß nett: So klingt das zweite Album von Sue.
Immer bloß nett: So klingt das zweite Album von Sue.
Künstler Sue
Album You
Label Z-Muzic
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung  

Das darf man wohl getrost „Minimalismus“ nennen. Drei Buchstaben hat der Bandname, drei Buchstaben hat der Albumtitel, genau zwei Farben gibt es auf dem Plattencover zu sehen.

Auch sonst haben Sue kein Problem damit, wenn es ein bisschen weniger üppig ist: You ist gerade erst das zweite Album in der Geschichte der bereits 2002 gegründeten Band. Sein Hauptquartier hat das Quartett aus Aurich in einem umgebauten Wassertank bezogen. Und für das gesamte Jahr 2013 gibt es auf der Homepage von Sue bisher erst exakt einen Eintrag: Den Hinweis auf ein Konzert Ende Januar in Oldenburg.

Leider macht sich auf You, dem Nachfolger des 2009 erschienenen Debütalbums Home Philosophy (14 Buchstaben!) ebenfalls der Minimalismus breit. Mit anderen Worten: ein Mangel an Ideen. You ist selten mehr als nett und quasi niemals so etwas wie notwendig. Sue haben viel Equipment und viel Know-How, aber sie haben offensichtlich kein anderes Ziel, als es möglichst kompetent einzusetzen. Oft fehlt diesem Album ein Inhalt, vor allem die Texte sind von einer manchmal ärgerlichen Beliebigkeit.

Carrie erinnert nicht nur wegen seiner französischen Textschnipsel („We are les enfants“) an das Frühwerk von Phoenix, also die Zeit, bevor sie anfingen, richtige Gassenhauer zu schreiben. Integrity klingt, als hätten Virginia Jetzt! das Gesamtwerk von Zoot Woman für sich entdeckt. Houston bleibt gleich gänzlich instrumental.

Auch, wenn sie etwas extrovertierter auftreten, sind Sue noch immer ein wenig gehemmt. Im Titelsong gleich zu Beginn des Albums ruft die Musik ganz eindeutig: „Ausflippen!“ Die Stimme von Sänger Skip Danko raunt hingegen „Kaffeehaus!“ Auch das flotte Shoes, das man sich gut im Repertoire von Boy vorstellen könnte, kommt niemals in Versuchung, seine Eleganz gegen ein paar Schweißperlen auf der Stirn einzutauschen. Und Part Of The Age ist zwar als Reminiszenz an die Punk-Vergangenheit der Band-Mitglieder gemeint, bleibt aber weitgehend akustisch.

Der Rausschmeißer Nordsee (neben Something Is Wrong With Me eines von zwei Stücken, das in einem Strandhaus in Dänemark entstanden ist) ist noch ein bisschen entspannter und enthält eine Zeile, die vielleicht der Schlüssel zum Verständnis von You ist: „I wanna change my heart into a speaker.“ Das ist womöglich ihr Ziel: das komplette Verschmelzen mit der Musik. Drei Jahre lang haben Sue in einem Hamburger Studio an dieser Platte gebastelt, und sie sind diesem Zustand wohl recht nahe gekommen. Sie haben eine hübsche, professionelle, angenehme Platte gemacht. Der aber all das fehlt, was in einem Tonstudio eben in der Regel ausgesperrt wird: Chaos, Aufregung, Leben.

Ein bisschen betäubt auf dem Jahrmarkt – so sieht das Video zu You aus:

httpv://www.youtube.com/watch?v=akvB18m1XAU

Homepage von Sue.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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