Interview mit Beady Eye

Ja, ich habe Beady Eye zum Interview getroffen. Spannendste Erkenntnis: Liam Gallagher ist ein Fan von Miley Cyrus.
Ja, ich habe Beady Eye zum Interview getroffen. Spannendste Erkenntnis: Liam Gallagher ist ein Fan von Miley Cyrus.

Es ist eine ziemliche Überraschung. Als Oasis vor zwei Jahren beim Melt-Festival in Ferropolis einen ihrer letzten Auftritte überhaupt spielten, da bedeutete das für alle Beteiligten: höchste Alarmstufe. Oasis bekamen im VIP-Bereich einen eigenen, streng gesicherten VIP-Bereich. Selbst für andere Promis war da kein Zutritt. Und zwei Stunden nach dem Ende ihrer Show waren die Gallagher-Brüder schon wieder entschwunden. So erhält man die Rockstar-Mystik. Oder man wirkt blasiert.

Diesmal ist alles anders. Liam Gallagher, Andy Bell und Gem Archer kehren als Beady Eye nach Ferropolis zurück. Sie spielen ein überzeugendes Konzert am frühen Abend, und auch hinter der Bühne haben sie fast alle Allüren abgelegt. Beady Eye haben eine ganz normale Garderobe neben der von Patrick Wolf. Ein bisschen Obst und ein paar Kartoffelchips stehen auf dem Tisch (und übrigens nirgends ist ein Bier in Sicht). Liam spaziert mit einer Akustikgitarre umher und steht bereitwillig für Fotos mit Fans zur Verfügung.

Auch im Interview gibt er sich beinahe entspannt. “Keine Fragen über Noel”, hatte das Management vorher noch gewarnt – aber selbst über das angekündigte Solo-Debüt seines Bruders gibt Liam Gallagher dann gerne Auskunft. Doch zunächst müssen wir ein bisschen über die Klatschpresse sprechen.

Die News Of The World wurden wegen des Abhörskandals eingestellt. Oft genug hat die Zeitung auch genüsslich über Oasis und ihre Eskapaden und Querelen berichtet. Macht sich da jetzt bei Euch ein bisschen Schadenfreude breit?

Liam Gallagher: Ja klar.

Andy Bell: Das Problem ist aber: Ein paar Leuten wird jetzt auf die Finger geklopft, dann gründet jemand eine neue Zeitung und es geht genauso weiter wie vorher. Mit denselben Lügen.

Was war die schlimmste Story, die News Of The World oder ein anderes der Boulevardblätter je über Euch geschrieben haben?

Gallagher: Ich habe nie darauf geachtet, für welche der Geschichten ich vielleicht jemanden verklagen könnte. Aber fest steht: Vieles davon hat mich verletzt. Mich, meine Freunde und meine Familie. Trotzdem habe ich so getan, als sei mir das alles völlig egal. Das war das Einzige, was ich dagegen tun konnte. Ich habe allen gezeigt: Das kümmert mich einen Dreck.

Bell: Wahrscheinlich hat die ganze Sache mit Karma zu tun. Diese Leute haben jahrelang Scheiße verbreitet. Und jetzt bekommen sie es zurück. Das haben sie auf jeden Fall verdient.

Noch ein Thema, das nichts mit Musik zu tun hat: Die Frauenfußball-WM ist gerade zu Ende gegangen. Interessiert Euch so etwas?

Gallagher: Ich habe ein paar Spiele gesehen. Ein paar von den Mädels haben wirklich schöne Tore geschossen. Aber Frauenfußball wird sicher nie so eine große Sache sein wie Männerfußball. Das ist schade. Denn da sind zweifelsohne ein paar echt gute Spielerinnen dabei.

Ich frage deshalb, weil man eine Parallele zur Rockmusik ziehen könnte. Da gab es auch einmal eine Zeit, als noch alle gesagt haben: Frauen und Gitarren – das kann doch nichts werden.

Gallagher: Trotzdem haben Frauen schon immer Musik gemacht. Ich denke, Frauen haben einen enormen Einfluss im Rock’N’Roll.

Gem Archer: Es gibt eine Menge Frauen im Rock, die es wirklich geschafft haben. Und meistens sind das die, die für sich ein ganz eigenes Image und eine ganz eigene Welt erschaffen haben. Wir waren gerade erst bei einem Blondie-Konzert – und diese Frau dominiert ganz locker eine ganze Halle voller Fans.

Wer ist für Euch der größte weibliche Rockstar aller Zeiten?

Bell: Sister Rosetta Tharpe. Sie hat schon Punkrock gemacht und Sachen wie Link Wray, bevor irgendjemand anders auf solche Ideen kam.

Archer: Debbie Harry.

Gallagher: Miley Cyrus. Die ist fantastisch. Ein echter Rockstar.

Kommen wir zu männlichen Rockstars: Im Oktober soll das erste Soloalbum Eures ehemaligen Bandkollegen Noel Gallagher erscheinen. Seid Ihr gespannt darauf?

Gallagher: Ja, definitiv. Aber ich habe keine Lust mehr, ihm mit meinen Aussagen zu seiner Musik noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er ist ein verlogener Sauhund. Aber es werden bestimmt ein paar gute Lieder auf der Platte sein.

Archer: Ich werde mir die Platte auf jeden Fall anhören. Wir haben so lange gemeinsam Musik gemacht, da ist das doch ganz klar.

Bell: Wir kennen viele der Songs auf dem Album. Das meiste davon haben wir in der Vergangenheit schon oft gehört. Aber ich bin gespannt, was nun daraus geworden ist und wie es bei den Leuten ankommt.

Gallagher: Noels Album wird aber keinen Einfluss darauf haben, was wir als Beady Eye machen. Wir werden nicht von dem Weg abweichen, den wir eingeschlagen haben. Egal, was er auf seiner Platte macht.

Würdet Ihr das Album auch kaufen? Oder muss Noel schon eine Gratis-Kopie schicken, damit Ihr Euch sein Werk anhört?

Archer: Ich befürchte, wir werden uns die CD kaufen müssen. Noel wird uns bestimmt keine schicken.

Gallagher: Ich werd’ das verdammte Ding doch nicht kaufen!

Bell: Wahrscheinlich werde ich es irgendwo illegal herunterladen. Das wäre doch ein guter Kompromiss.

Vor zwei Jahren habt Ihr beim Melt-Festival mit Oasis gespielt. Damals wart Ihr sehr beeindruckt von dem Gelände mit den riesigen Schaufelradbaggern. War das einer der Gründe, nun mit Beady Eye wieder hier zu spielen?

Gallagher: Es ist einfach ein cooles Festival. Das Wetter ist schön, die Stimmung ist gut, die Leute sehen toll aus und haben Spaß. Wir haben auf dieser Tour wirklich ein paar miese Festivals gespielt. Das Melt ist definitiv eines von den besseren.

Bell: Ich habe ehrlich gesagt erst zehn Minuten vor unserer Ankunft erfahren, dass wir heute bei einem Festival spielen werden. Aber dann hat es mich sehr gefreut, denn letztes Mal hat es mir beim Melt wirklich super gefallen. Das ist eine Location, die auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt.

Abgesehen von der Frage, wie viele Leute zu Euren Shows kommen: Wie messt Ihr heutzutage Erfolg? Sind Charts und Kritiken noch wichtig für Beady Eye?

Gallagher: Wenn es eine Sache gibt, die man über Beady Eye sagen kann, dann das: Wir sind besessen. Wir machen unser Ding, und wir leben dafür. Wir sind auf Tour mit unserem Album, und wir sind extrem stolz auf diese Platte. Wir schmieden Pläne für die Zukunft und reden gerade über ein neues Album, und das wird auch großartig werden. Charts, Erfolg und dieser ganze Kram – das ist nicht so entscheidend. Ich habe das schon oft gesagt: Wenn es den Kids gefällt und sie die Platte kaufen, dann ist das wunderbar. Wenn nicht, dann ist Beady Eye eben mehr so eine coole Underground-Geschichte. Die Leute können ruhig behaupten, Beady Eye sei ein Flop. Hauptsache, die Musik ist gut.

Bell: Wir wussten, dass wir nicht auf dem Level von Oasis beginnen würden. Das ist eine neue Band, mit einem neuen Namen und mit neuen Songs, und wir mussten quasi von vorne anfangen. Darauf waren wir vorbereitet.

Aber woran macht ihr dann fest, ob Beady Eye funktioniert?

Gallagher: Wichtig ist, dass wir noch immer zusammen Musik machen wollen.

Vielleicht könnten die Foo Fighters ein Vorbild sein? Die haben am Anfang auch erst einmal ihr Publikum von Nirvana geerbt. Aber mittlerweile sind sie auch ganz ohne diese Verbindung eine respektierte, enorm erfolgreiche Band.

Gallagher: Das stimmt. Und bei denen ist es auch nicht über Nacht passiert. Aber sie haben ein paar wirklich tolle Songs, und sie haben einen Haufen Platten verkauft. Sogar mehr, als Oasis in all der Zeit verkauft haben. Daran sieht man: Das funktioniert, wenn man sich ordentlich ins Zeug legt.

Archer: Es geht einfach um die Frage, ob man noch die Leidenschaft hat, alles zu geben. Wir sind mittendrin im Jetzt – das ist die beste Position, in der man sein kann.

Bell: Die Foo Fighters sind wirklich ein gutes Beispiel. Wir haben jetzt in ein paar Monaten schon eine Menge erreicht. Aber wenn wir in fünf Jahren wieder zurück zum Melt kommen, werden wir hoffentlich als Headliner spielen. Dann haben wir mit Beady Eye vielleicht drei oder vier Alben gemacht und einen Haufen Konzerte gespielt. Und dann streuen wir in unserer Show vielleicht sogar den einen oder anderen Oasis-Song ein. Das würde dann gar keine Rolle mehr spielen, weil wir wissen: Die Leute sind eigentlich da, um uns zu sehen und unsere Lieder zu hören.

Beady Eye kommen mit Four Letter Word auf die Bühne beim Melt 2011:

httpv://www.youtube.com/watch?v=oXBeaMQ7ovM

Dieses Interview gibt es mit einer Fotostrecke zu Oasis und den besten Fotos vom Melt 2011 auch bei news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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2 Gedanken zu “Interview mit Beady Eye

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