Interview mit Zoot Woman

Sänger Johnny Blake ist ein Drittel von Zoot Woman.

Johnny Blake macht elektronische Musik – aber mit schwarzen Jeans, schwarzer Lederjacke und schwarzem T-Shirt sieht er aus wie ein Rocker. Johnny Blake ist Frontmann – aber im Interview vor dem Zoot-Woman-Konzert in Leipzig gibt er nicht das Großmaul, sondern einen reflektierten, fast schüchternen (und etwas unausgeschlafenen) Gesprächspartner. Seit Johnny Blake 1999 zu Zoot Woman kam, zählen die Engländer zu den einflussreichsten Bands des Jahrzehnts – doch davon will er eigentlich gar nichts wissen. Und der geistige Vater von Lady Gaga will er schon gar nicht sein.

Wie läuft die Tour?

Johnny Blake: Sehr gut. Heute Abend ist die fünfte Show und bisher hat es wirklich Spaß gemacht.

Gestern Abend habt ihr in Rostock gespielt – ausgerechnet an dem Tag, an dem Hansa Rostock den Klassenerhalt in der Zweiten Liga verpasst hat. Hat man davon etwas beim Konzert gemerkt?

Blake: Nein, ganz im Gegenteil. Die Atmosphäre war wirklich schön. Sonntagabend ist ja normalerweise nicht der beste Termin für ein Konzert. Aber die Leute sind wirklich toll mitgegangen.

Warum habt ihr die Tour in Luxemburg begonnen? Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Ort für einen Tournee-Auftakt.

Blake: Ich weiß auch nicht. Es erschien einfach als eine interessante Idee. Die Halle dort war wirklich wunderschön – und im Nachhinein hätte der Auftakt gar nicht besser laufen können.

 

Auch sonst scheint das Klischee, dass elektronische Bands lieber im Studio tüfteln, als auf der Bühne zu stehen, auf Zoot Woman nicht zuzutreffen. Zwischen 2003 und 2009 gab es zwar kein neues Album, aber trotzdem jede Menge Konzerte.

Blake: Das ist wirklich ungewöhnlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir eigentlich aus einer Ecke kommen, wo es ums Komponieren und Aufnehmen geht, nicht so sehr um Konzerte. Aber diese große Lücke zwischen zwei Platten hat uns auf gewisse Weise auch geholfen. Früher haben wir viele Sachen im Studio erst entwickelt. Für Things Are What They Used To Be hatten wir viele Songs, die wir live schon oft gespielt hatten, und die wir dann für die Platte nur noch perfektionieren mussten. Aber in jedem Fall hat das Touren noch mehr Spaß gemacht, als die Platte endlich draußen war und die Fans die neuen Stücke dann auch kannten.

So sieht die Verpflegung backstage aus – für drei Leute, und zwei Vorbands.

Konzerte werden grundsätzlich wichtiger für Bands, weil sich damit – im Gegensatz zu Plattenverkäufen – noch Geld verdienen lässt. Ist auch das einer der Gründe für die Tour-Leidenschaft?

Blake: Das spielt natürlich eine Rolle. Es gibt eben nur eine Möglichkeit, ein Live-Konzert wirklich zu erleben: Man muss hingehen. Man kann das nicht mit einem anderen Medium reproduzieren. Dass Live-Shows damit auch wichtiger geworden sind, ist aber auch eine nette Motivation. Wir haben da in den vergangenen Jahren wirklich viel Energie reingesteckt. Und auch wenn es vielleicht mal Ärger mit der Plattenfirma gibt oder man nicht weiß, ob man noch einmal ein Album aufnehmen kann, gibt es einem neue Kraft, wenn man auf der Bühne steht und sieht, dass die Songs funktionieren. Wenn die Leute ausflippen, weil wir It’s Automatic spielen, führt einem das immer wieder vor Augen, worum es wirklich geht. Außerdem ist ein Konzert immer wieder die beste Möglichkeit, spontan zu sein. Als Musiker sollte das Arbeiten und Schreiben immer spontan sein.

Für Nachschub ist notfalls auch gesorgt.

Dann würde ja für Zoot Woman die Strategie gut passen, die Ash jetzt verfolgen: Die haben beschlossen, keine Alben mehr zu machen, sondern nur noch Singles herauszubringen.

Blake: Das klingt nach einer coolen Idee. Es macht sicher Sinn, weil sich auch die Hörgewohnheiten geändert haben. Es gibt einfach nicht mehr so viele Leute, die in den Laden gehen, sich eine komplette CD kaufen und sie dann zuhause anhören. Im Gegensatz dazu sind Singles einfach eine toller Weg, um die Musik an die Leute zu bringen. Aber ich selber bin da eher ein Nostalgiker. Ich mag Alben. Ich mag es, ein ganzes Album zu machen und rauszubringen. So bin ich es einfach gewohnt.

Sind Zoot Woman dann eher eine Album-Band oder eine Singles-Band?

Blake: Ich denke, dass wir eine Album-Band sind. Obwohl mir gerade vor ein paar Tagen erst jemand gesagt hat, dass Things Are What They Used To Be wie eine Sammlung von Singles klingt. Ich weiß nicht, ob man das als Kompliment auffassen kann. In jedem Fall sollte das Album nicht absichtlich danach klingen. Ein Album sollte immer eine Entwicklung nehmen.

Das Langspielformat scheint auch besser zum Anspruch von Zoot Woman zu passen, alles sehr schick und mit einem großen Augenmerk für die ästhetische Komponente umzusetzen.

Blake: Das stimmt. Singles erscheinen immer in gewisser Weise austauschbar. Bei einem Album kann man so ein Gesamtkonzept natürlich besser umsetzen. Dazu gehören auch die Live-Shows. Unsere Vorbilder waren immer Künstler mit sehr aufwändigen Shows: Roxy Music, David Bowie, Depeche Mode. Diesen Einfluss haben wir in unsere eigenen Auftritte eingearbeitet. Sie sollen nicht nur ein Konzert sein, sondern eine echte Show – und dazu gehört eben auch, was man mit dem Licht anstellt oder was man trägt. Ich habe auch den Eindruck, dass sich unsere Fans für die Konzerte besonders in Schale schmeißen.

Apropos Einfluss: Der NME hat kürzlich eine Liste der 50 wichtigsten Alben des vergangenen Jahrzehnts zusammengestellt. Nummer 1 war Is This It von den Strokes. Das Zoot-Woman-Debüt Living In A Magazine kam fast zeitgleich heraus wie diese Platte. Wenn man sich die heutige Popszene anschaut, erscheinen Zoot Woman fast genauso einflussreich.

Blake: Das ist schwer zu sagen. Da kommt es immer darauf an, dass man etwas Ungewöhnliches tut – und zwar zur genau richtigen Zeit. Als Living In A Magazine rauskam, mussten wir uns eine Menge Kritik anhören. Ein Kraftwerk-Cover und Männer in weißen Anzügen – das wollte damals keiner.

Aber Künstler wie La Roux oder Lady Gaga, die ganz offen mit dem Sound und Look der Achtziger spielen, wären ohne Zoot Woman womöglich gar nicht denkbar.

Blake: Das ist sehr hypothetisch, aber es freut mich, wenn das jemand so sieht. Ich denke schon, dass man unseren Einfluss bei vielen aktuellen Popstars hören kann. Am Ende kriegt jeder Künstler die Anerkennung, die er verdient, denke ich.

Trotzdem: Gehört nicht auch Living In A Magazine in die Top50-Liste des NME?

Blake: Mich überrascht zumindest nicht, dass wir da nicht auftauchen. Der NME war uns noch nie besonders gewogen. Elektronische Musik findet da nur wenig statt. Zur Zeit von Living In A Magazine gab es zwar viel Aufmerksamkeit für uns, aber die Kritiken waren dann ziemlich schlecht. Mittlerweile ist es andersrum: Obwohl das letzte Album im NME eine sehr gute Kritik bekam, wird dort sonst praktisch nie über uns berichtet.

Erstaunlich, denn auch Bands wie Klaxons, die vom NME sehr gefeiert wurden, stehen definitiv in der Tradition von Zoot Woman.

Blake: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie die englische Musikpresse funktioniert: Die Medien sorgen erst dafür, dass eine Band explodiert – und dann implodiert.

Wie geht es mit Zoot Woman weiter? Gibt es schon Material für ein neues Album?

Blake: Wir wollen uns auf jeden Fall weiterentwickeln. Das sollte für jeden Künstler das Ziel sein. Wir haben schon drei oder vier fertige Songs, die gute Chancen haben, es auf die nächste Platte zu schaffen.

Ausschnitte aus dem Interview gibt es auch als Video:

httpv://www.youtube.com/watch?v=OvKw8tLsll4

Eine gekürzte Version dieses Interviews gibt es auch auf news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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4 Gedanken zu “Interview mit Zoot Woman

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