Kanada – die heimliche Musik-Supermacht

Musik und Olympia – das gehört nicht unbedingt zusammen. Musik und Kanada – das passt allerdings perfekt. Seit Jahren kommen aus Amerikas hohem Norden kreative, spannende und erfolgreiche Künstler.

Im Sommer 2005 war die Hölle los. Das Szenemagazin Spin erklärte Montreal zum neuen Mekka der Musikszene. Die britischen Kollegen vom New Musical Express schwärmten von der kreativen Atmosphäre in Kanadas Großstädten. Und selbst die New York Times war sich sicher: Der Hotspot ist im hohen Norden.

Die einflussreichsten Trendsetter und quasi alle US-Medien waren ganz aus dem Häuschen über die Musikszene beim nördlichen Nachbarn. Das ist ein bisschen, als würde Deutschland plötzlich anerkennen, dass in Österreich der bessere Fußball gespielt wird.

Doch es ist nicht zu leugnen: Kaum ein Land hat so viele einflussreiche, innovative und erfolgreiche Musiker hervorgebracht wie Kanada. Gerade einmal 33 Millionen Einwohner leben hier, doch es gibt jede Menge Musikgrößen, von Oscar Peterson bis zu Alanis Morissette.

Diese Kontinuität und enorme musikalische Bandbreite ist kein Zufall. Denn zum einen ist Kanada ein Schmelztiegel: Von allen Flächenstaaten der Erde hat es die höchste Einwanderungsquote. Hier kommen Einflüsse aus ganz verschiedenen Regionen und Kulturkreisen zusammen und befruchten sich gegenseitig. Ein prominentes Beispiel ist Nelly Furtado, die bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele mit Vancouvers Lokalhelden und Kanadas Vorzeige-Rockstar Bryan Adams auf der Bühne stand: Ihre Eltern stammen von den Azoren, sie wuchs in Victoria und Toronto auf.

Zum anderen hat die Kreativität auch politische Hintergründe. Künstler und Musiker werden vergleichsweise großzügig finanziell unterstützt, sowohl von der Regierung als auch auf regionaler Ebene. Zudem gibt es seit 1971 eine Mindestquote für kanadische Produktionen in Radio und TV, die schrittweise gesteigert wurde. Seit 1998 müssen 35 Prozent der Musik, die im Radio gespielt wird, aus Kanada kommen. Das betrifft den Komponisten, Interpreten oder den Ort der Aufnahme.

Das hat zu enormer Vielfalt geführt und erklärt auch die Tatsache, dass es keinen typischen kanadischen Sound gibt, sondern ganz viele, immer neue. Auch die Geografie spielt dabei eine Rolle. Tourneen und regelmäßige Live-Auftritte sind in einem so dünn besiedelten Land keine besonders zuverlässige Einnahmequelle. «Die Künstler denken sich dann: Wenn ich sowieso kein Geld mit der Musik verdienen kann, dann muss ich auch keine Rücksicht auf die Erwartungen des Marktes nehmen und kann gleich die Musik machen, die ich wirklich will», sagt Rupert Bottenberg, Musikredakteur beim Montreal Mirror.

Die Stadt im Südosten des Landes war Ausgangspunkt für den aktuellen Boom kanadischer Musik. Die Multikulti-Metropole war Mitte der 1990er Jahre ein sozialer Brennpunkt des Landes. Das brachte aber auch günstige Mieten und niedrige Lebenshaltungskosten mit sich – der Nährboden für eine blühende Kulturszene. Montreal profitierte auch von Lokalpatriotismus: Wer etwas Geld machte, wie die Rockband Godspeed You! Black Emperor, der investierte es wieder in die künstlerische Infrastruktur der Stadt: Plattenlabels, Studios, Clubs. Und wer ein Design für Plakate, Flyer oder Plattencover brauchte, der wurde bei den zahlreichen Malern und Designern fündig.

Jedes Jahr im Herbst zeigt die Stadt beim Festival Pop Montreal,was Kanada zu bieten hat: 300 Bands an fünf Tagen, dazu Filme, Theater, Ausstellungen, Lesungen.

Gralshüter der Szene und Säulenheilige des neuen kanadischen Selbstbewusstseins sind Arcade Fire. Die Band um Sänger und Songwriter Win Butler (ursprünglich aus Texas) und seine Frau Régine Chassagne (eingewandert aus Haiti) fand in Montreal zusammen, weil es in ihren Augen «keinen besseren Ort zum Musikmachen gibt».

Ihr Debütalbum Funeral brachte ihnen jede Menge Preise und Lob von prominenten Fans wie David Bowie ein und verkaufte sich eine halbe Million Mal. Damit rückte Kanada wieder auf die musikalische Landkarte. Experte Bottenberg ist sich sicher, dass sein Land dort auch noch eine Weile bleiben wird: «Der Erfolg von Arcade Fire ist ein enormer Ansporn für andere kanadische Künstler, sich in kreativer Hinsicht selbst zu übertreffen. Damit wurde ein hoher Standard gesetzt – und alle wollen dem jetzt gerecht werden.»

Den kompletten Artikel samt Bilderstrecke gibt es auch bei news.de.

Und für alle, die Bryan Adams ebenso wie die Spice Girls zu ihren guilty pleasures zählen, hier noch ein nettes Fundstück (YouTube ist echt ne fiese Sache).

httpv://www.youtube.com/watch?v=KLZteUkbAD0&feature=related

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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2 Gedanken zu “Kanada – die heimliche Musik-Supermacht

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