Money – “Suicide Songs”

Künstler Money

Money Suicide Songs Review Kritik
Die Sache mit dem Selbstmord ist bei Money als Metapher gemeint.
Album Suicide Songs
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

A Cocaine Christmas And An Alcoholic’s New Year heißt das letzte Lied auf dieser Platte. Der Titel verspricht nicht zu viel: Die Attitüde ist exaltiert, größtenteils besteht die Musik bloß aus Gesang und Klavier, es scheint auch reichlich Wein im Spiel gewesen zu sein. Das ist exemplarisch für die Entstehung von Suicide Songs. 2013 hatten Money ihr Debüt The Shadow Of Heaven vorgelegt und viele gute Kritiken geerntet. Im Jahr darauf zog Sänger Jamie Lee aus Manchester wieder nach London, mit dem Ziel „der beste Autor zu werden, der ich sein könnte. Ich wollte Gedichte und Songs schreiben, die eng miteinander verbunden waren.“ Was er stattdessen fand, waren Alkoholismus, Selbstzweifel und Diskussionen mit seinen Bandkollegend Billy Byron und Charlie Cocksedge über die Richtung, in die sich Money entwickeln sollten. „Aber wir sind zusammengeblieben“, lautet das Ergebnis.

Mit dieser tiefen Krise, die schließlich bei den gemeinsamen Aufnahmen mit Produzent Charlie Andrew innerhalb von drei Monaten in London überwunden wurde, ist jetzt der Albumtitel zu erklären: „Das Album sollte klingen, als komme es zurück von den Toten. Denn dort sind diese Songs entstanden. Die Platte ist morbide und trostlos und kommt nie zu einer Lösung. Die einzig wahre Art von triumphaler Erkenntnis besteht darin, dass ich die Morbidität der Situation ausdrücke, in der ich mich befand“, sagt Jamie.

„I’m up there in the clouds“, heißt passend dazu eine der wichtigsten Zeilen im Album-Auftakt I Am The Lord. Der Song lässt an The Verve denken, er ist in sich versunken, etwas psychedelisch (auch durch den Einsatz eines indischen Saiteninstruments namens Dilruba), brandet kurz auf und wird dann wieder sehr beschaulich. Hopeless World hört man ebenfalls das Aufgewühltsein an. “Do you dare to come down to my hopeless world / where I make a strange light uncertain and absurd”, singt Jamie Lee darin. I’m Not Here lässt den Gedanken an Selbstauslöschung noch expliziter hervortreten. “People are strange, I can tell they’re deranged / I’d rather be a tramp on the street / because I’m only here once I’ve disappeared”, heißt es.

Das große Wort „Selbstmord“ nehmen Money dabei keineswegs leichtfertig in den Mund. Die Selbstmordrate im UK liegt mit 8,9 pro 1000 Einwohner zwar fast 50 Prozent niedriger als in Deutschland und auch deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Trotzdem nehmen sich pro Woche in Großbritannien 84 Männer das Leben, was Suizid zur häufigsten Todesursache bei Männern bis 45 Jahren dort macht. Nicht zuletzt deshalb hat im UK eine recht engagierte Debatte zum Thema “Mental Health” begonnen, die auch Jamie Lee sehr genau beobachtet hat. „Der Albumtitel fasst eine Phase meines Lebens gut zusammen, in der ich nur mit einer sehr entrückten Attitüde über das Leben geplappert habe. Aber das hat sich jetzt verändert. Wir wollen nicht, dass der Titel negativ wahrgenommen wird – und wir wollen natürlich schon gar nicht psychische Krankheiten glorifizieren.“

You Look Like A Sad Painting On Both Sides Of The Sky ist ein weiterer Moment, in dem diese Grundstimmung sehr deutlich wird, der Gesang ist eher leidend als leidenschaftlich. Suicide Songs zeigt aber auch, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt. Das kann im Titelsong durch das sehr schöne Bläserarrangement passieren oder im reduzierten Night Came, das ein feines Gewebe aus Streichern und Bläsern spinnt, zu dem sich später noch die Gaststimmen von Angela Ricci, Ezzy Anya und Laura Barnes gesellen. All My Life wird nicht nur episch, sondern auch erhebend, in I’ll Be The Night steckt viel Leidenschaft ebenso wie eine Spur Eleganz, nicht nur wegen der Streicher.

„Vor allem versuche ich in diesen Liedern, eine poetische Wahrheit zu projizieren und darzustellen”, fasst Jamie Lee den Rahmen der Suicide Songs zusammen. “Bei Selbstmord geht es um Anonymität bis zu dem Punkt, an dem du nicht mehr existierst, womit ich mich definitiv in meinem Songwriting und als Person identifizieren kann. Aber anstatt mich aus der Anonymität heraus zu schreiben, möchte ich fortbestehen, zumindest in dieser Platte. Man erkennt eine Art von Opfercharakter an, wenn man künstlerische Entscheidungen trifft. Wenn du in deinen Gefühlen herumwühlst und versuchst, auf Kosten deiner Gesundheit einen Sinn für das Leben zu finden, kann das, was du geschaffen hast, einen poetischen Wert haben.“

Auch das Video zu I’ll Be The Night dokumentiert eher die Trostlosigkeit als sie zu überwinden.

Money bei Twitter.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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