Peter Kernel – “The Size Of The Night”

Künstler Peter Kernel

Peter Kernel The Size Of The Night Review Kritik
Minimale Mittel, enorme Effekte: Das ist das Rezept von Peter Kernel.
Album The Size Of The Night
Label On The Camper
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„This is a story about a storyteller“, kündigen Peter Kernel am Beginn ihres Lieds Terrible Luck an. Um es vorweg zu nehmen: Wenn dessen Geschichten so abenteuerlich sind wie die Musik des Duos auf The Size Of The Night, dann wird man an seinen Lippen kleben.

Sängerin Barbara Lehnhoff (aus Kanada) und Gitarrist Aris Bassetti (aus der Schweiz) haben sich in einer Schule für visuelle Kommunikation in der Schweiz kennengelernt und die Band 2006 gegründet. Auf ihrem vierten Album perfektionieren sie die Fähigkeit, mit sehr minimalistischen Songs sehr große Effekte zu erzielen. Der Auftakt There’s Nothing Like You kann durchaus als typisch gelten, denn der Track scheint erst seine Form finden zu müssen, seine Stimmung hat er hingegen sofort: Es geht um Alarm, um Anstacheln und Anderssein.

This Storm Will Last entwickelt eine betörende Dramatik, ohne dass man erklären könnte, wie das passiert. Drift To Death baut eine arabische Melodie um einen mysteriösen Groove herum, Men Of The Women setzt auf recht straighte Drums und Chorgesang in einer seltsamen Sprache. Inspiriert ist all das von dem, was im Dunkeln geschieht, sagen Peter Kernel. „Was ist die Größe der Nacht? Wie können wir sie bemessen? Die Nacht ist eine sehr persönliche Phase. Sie kann majestätisch sein, eingehüllt in Liebe und Freude verbracht werden oder in bedrückender Angst, erfüllt von Alpträumen und Schrecken. Die Größe dieser Phase ist in den Details versteckt, die unseren Körper erschüttern und unser Herz weiterschlagen lassen.“

Diesen Details spüren sie oft mit Bass und Gesang als zentralen Zutaten nach wie in The Shape Of Your Face In Space. Fast wie ein Hörspiel klingt The Secret Of Happiness, nicht nur wegen des Spoken-Word-Parts zu Beginn. Pretty Perfect zeigt, dass Peter Kernel zugleich widerborstig und plakativ sein können. Immer das, was man als nächstes erwartet, passiert auf dieser Platte gerade nicht. Zwischen den Zeilen steckt stets die Botschaft: Wir machen das auf unsere Art, und dass sie gelegentlich mit sechs Leuten als Peter Kernel & Their Wicked Orchestra auftreten und auch ein elektronisches Nebenprojekt betreiben, passt da ins Bild.

„Für dieses Album haben wir unsere dunkelsten und geheimnisvollsten Charakterzüge genommen und in Songs verwandelt“, sagen Lehnhoff und Bassetti. „Wir alle haben keine Gebrauchsanleitung dafür, wie man Fehler vermeidet, wie man seine Mitmenschen nicht verletzt oder wie man in der vorschriftsmäßigen Weise lieben soll. Wir leben einfach. Wir tun Gutes und Schlechtes. Manchmal lernen wir daraus, oft aber auch nicht, und wir machen einfach weiter und machen weiter Fehler. Wir sind komplex. Wir können dämlich sein und uns verloren fühlen. Wir können uns vermissen und dann, wenn wir zusammen sind, trotzdem nicht miteinander reden. Diese Erfahrung haben wir in den vergangenen Monaten gemacht, und dieses Album ist Ausdruck dieses neuen Bewusstseins.“

Recht deutlich erkennbar wird das in The Revenge Of Teeth, das mit ganz wenigen Mitteln und trotz der Beteuerung „I’m not accusing you“ eine erstaunliche Bedrohlichkeit entwickelt. The Fatigue Of Passing The Night hingegen wirkt fast wie ein klassisches Duett, einnehmend und geradezu putzig. „Es gibt ein paar sehr ernsthafte Lieder, andere sind eher surreal. Aber jede dieser Schöpfungen kommt aus der Größe der Nacht in ihrer Pracht und ihrer Düsternis“, fassen Peter Kernel die Platte recht treffend zusammen. „Mit diesem Album versuchen wir zu akzeptieren, dass wir empfindliche Menschen sind und zur selben Zeit Arschlöcher sein können. Und das ist okay so.“

Das Video zu Men Of The Women haben die Fans von Peter Kernel gedreht.

Peter Kernel bei Tumblr.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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