Susanne Blech – “Die Innere Sicherheit”

Künstler Susanne Blech

Susanne Blech Die Innere Sicherheit Review Kritik
“Die Innere Sicherheit” suchen Susanne Blech in der Vergangenheit.
EP Die Innere Sicherheit
Label Z-Muzic
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Timon Karl Kaleyta, der bei Susanne Blech singt und die Texte beisteuert, hat im April seinen Debütroman Die Geschichte eines einfachen Mannes veröffentlicht. Als Autor (er schreibt auch Drehbücher und eine Kolumne in der FAS) sollte er eigentlich um die Notwendigkeit eines präzisen Umgangs mit Sprache wissen. Auf dem gestern veröffentlichten Mini-Album Die Innere Sicherheit findet sich davon aber leider keine Spur. Vielmehr hat er gemeinsam mit seinem wichtigsten Kompagnon Tilman Ezra Mühlenberg und Produzent Sebastian Maier ein Werk fabriziert, das musikalisch zwischen Italo Disco und Dreampop schwankt und inhaltlich klar macht, dass es erstaunlicherweise eine Schnittmenge aus Unzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit gibt.

Nehmen wir zum Beispiel den Begriff “Not”. Der Duden benennt für dieses Substantiv zunächst die Beschreibung “besonders schlimme Lage, in der jemand dringend Hilfe braucht” oder “Mangel an lebenswichtigen Dingen; Elend, äußerste Armut”, zusätzlich auch “äußerer Zwang, Notwendigkeit, Unvermeidlichkeit”. Bei Susanne Blech ist davon aber nichts zu spüren. Im Song Verschweig mir deine Not wird stattdessen das “schwere Schicksal” von “langen Sommern an der Riviera” besungen, zu einem fluffigen Yacht Rock mit etwas Autotune. Auch an vielen anderen Stellen auf Die Innere Sicherheit kann man diese Attitüde von westdeutschem Wohlstandsschmerz erkennen. Es sei der Fairness halber daraufhingewiesen, dass der Duden auch die Definition “durch ein Gefühl von Ausweglosigkeit, durch Verzweiflung, Angst gekennzeichneter seelischer Zustand, unter dem der davon Betroffene sehr leidet; Bedrängnis” für “Not” anbietet. Das ist hier schon eher passend. Noch zutreffender wäre für alle Songs (und für das Mini-Album insgesamt) allerdings der Titel First World Problems.

Unverkennbar sind die Stücke auf Die innere Sicherheit eher vertonte Texte als dass die Musik im Vordergrund stünde, die vier Songs gibt es jeweils als “sichere Version” und dann noch einmal als “sehr sichere Version” ohne erkennbaren Mehrwert, außer bei Cape Town: So wie die sichere Version würden vielleicht die Pet Shop Boys klingen, wenn sie wirklich Snobs wären, die sehr sichere Version wird dann noch deutlich schillernder.

Stéphanie von Monaco eröffnet den Reigen irgendwo zwischen Eleganz und Dekadenz, Münchner Freiheit und Albrecht Schrader. Diamanten handelt von Kindheitserinnerungen inmitten der Frage, wie viel vom überschüssigen Geld in welche Immobilien investiert werden soll. Auch wenn man da wieder ein zynisches (und neidisches) “Du hattest es wirklich nicht leicht, kleiner Timon” raunen will, bleibt natürlich festzuhalten: Es ist selbstverständlich erlaubt, wohlbehütet aufzuwachsen, trotzdem erst mit dem Erwachsenwerden und danach noch immer mit der Welt zu ringen. Ebenso legitim und sogar willkommen ist es, die deutsche Sehnsucht nach Sicherheit zu besingen. Was an den Befindlichkeiten auf diesem Werk aber kolossal nevt, ist ein blinder Fleck: Als Idyll oder zumindest nostalgisch verklärter Sehnsuchtsort steht hier das Leben voller Reisen, Konsumieren und Ignoranz gegenüber dem Rest der Welt im Zentrum, das beispielsweise die 1980er Jahre der BRD geprägt hat. Es war (und ist) indes genau dieses Leben, das durch Klimawandel, soziale Spaltung und andere Folgen nun so viele vermeintliche Sicherheiten bröckeln lässt – für die Diamanten- und Riviera-Kids ebenso wie für viele andere, die dabei deutlich weniger weich landen werden.

Schwarzwaldklinik-Weltschmerz im Golf Cabrio: Das Video zu Verschweig mir deine Not.

Website von Susanne Blech.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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