The Reds, Pinks And Purples – “The Town That Cursed Your Name”

Künstler*in The Reds, Pinks And Purples

The Reds, Pinks And Purples The Town That Cursed Your Name Review Kritik
Mit “The Town That Cursed Your Name” ist San Francisco gemeint.
Album The Town That Cursed Your Name
Label Tough Love
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

Glenn Donaldson, der Mann hinter The Reds, Pinks And Purples, widmet sein fünftes Album unter diesem Namen „jedem, der jemals versucht hat, eine Band in der Bay zu gründen“, schreibt er auf der Plattenhülle. Das morgen erscheinende The Town That Cursed Your Name macht ziemlich schnell klar, dass er damit nicht Leute wie Jerry Garcia, Kirk Hammett, Courtney Love und Ben Kweller meint, die zu Stars geworden sind. Sondern all jene, die gescheitert sind. Und vor allem hat er all jene im Sinn, die es trotz dieses Scheiterns immer wieder versuchen.

Der Singer-Songwriter weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, als Musiker zu überleben, erst recht in einer Stadt wie San Francisco. Es gibt dort zwar eine mehr als reiche Musiktradition, die sich noch immer in umtriebigen Labels wie Bright Antenna oder legendären Venues wie dem Fillmore Auditorium zeigt. Aber es gibt eben auch das Silicon Valley in der Nähe, das die Lebenshaltungskosten enorm in die Höhe getrieben hat. Die monatliche Durchschnittsmiete lag schon 2015 jenseits der 4000 Dollar, es wundert also nicht, dass Donaldson schon öfter besungen hat, wie schwierig es in dieser Stadt ist, ein Auskommen mit Musik zu finden. “Als ich das Album zusammengestellt habe, wurde mir klar, dass es ein Songzyklus ist, der davon handelt, dass man versucht zu leben und sich gleichzeitig berufen fühlt, Musik zu machen”, sagt er über die Idee, diese Herausforderung in Songs zu packen.

Das wird gleich im Auftakt It’s Too Late For An Early Grave untermauert. Der Text handelt davon, dass er vielleicht nicht fleißig genug ist und vielleicht deshalb nicht erfolgreich genug, um jemals auch nur in die Nähe von Charts und Rock’N’Roll-Lifestyle zu kommen. Zugleich feiert er hier aber seine eigene Entsprechung des Künstlerethos, dem er bisher eben doch gerecht werden konnte: Er lebt ein Leben jenseits von 9-to-5, nach eigenen Regeln, bei dem man vielleicht auch ausschlafen kann und sich künstlerisch nicht reinquatschen lässt. Sowohl seine Lyrics des Songs als auch die Musik zeigen: Er sieht keinerlei Grund für Reue.

Die Single Life in The Void hat einen ähnlichen Tenor: “You don’t want to live like that / you don’t want to work that hard / you don’t want to play the part / empty head and open heart.” Das Lied hat mehr Punch und Größe im Sound, sodass darin ein Versprechen erkennbar wird, vielleicht nicht auf Ausbruch, aber auf Trost. Ohnehin ist The Town That Cursed Your Name zwar noch immer so sonnig und entspannt, wie man es von The Reds, Pinks And Purples (und von San Francisco) kennt, aber deutlich rockiger als der 2022er Vorgänger Summer At Land’s End. Dafür ist etwa Burning Sunflowers mit seinem dezenten Fuzz ein gutes Beispiel, ebenso What Is A Friend mit seinem Fokus auf Rhythmus.

Leave It All Behind zeigt, wie Donaldson mit seinen bestens bekannten Mitteln (ein simpler Beat aus einer Drum Machine, eine eingängige Gitarrenmelodie und seine immer etwas verschlafen, beleidigt und verletzt klingende Stimme irgendwo zwischen Morrissey, J Mascis und Evan Dando) eine unnachahmliche Wirkung erzeugen kann. Mit der leicht wehmütigen Eleganz und beschwingten Leichtigkeit von Waiting On A Ghost To Haunt You kommt er Vorbildern wie Paul Westerberg und Grant McLennan sehr nahe, mit den reduzierten Momenten wie dem sphärischen Here Comes The Lunar Hand oder der Ballade Almost Changed hält er den Spannungsbogen des Albums geschickt hoch.

Und immer wieder ist da das Thematisieren des Lebens als Singer-Songwriter. Selbst eine Liebeserklärung wie I Still Owe You Everything ist bei ihm eng mit Musik verknüpft, das vom Klavier getragene Break Up The Band hält als Ausweg die Option “Go solo if you can” bereit, in Mistakes (Too Many To Name) klingt die Selbstanklage “I made every mistake one person can make” trotzdem nach Weitermachen, nicht nach Aufhören, durch die energischen Drums ebenso wie durch die feurigen Gitarren. Der Titelsong beginnt mit der Zeile “It’s a shame your record label failed” und zeigt erneut von Sympathie für enttäuschte Enthusiasten, die auf eine feindliche Welt ohne Wertschätzung für die eigene Leidenschaft treffen.

In der Tat zeigt Glenn Donaldson, wie schmerzhaft sich diese Erkenntnis anfühlen kann und wie aussichtslos es mitunter wirken mag, ausgerechnet in dieser Gegend mit ausgerechnet diesem Beruf über die Runden kommen zu wollen. Aber auch auf The Town That Cursed Your Name klammert er sich an diese Kunst wie Jack Dawson an die vereiste Tür nach dem Sinken der Titanic. Anders als Jack scheint er als The Reds, Pinks And Purples aber eine Chance aufs Überleben zu haben.

Sonnebrille statt Helm auf dem Scooter: Das Video zu Life in The Void passt nach Kalifornien.

The Reds, Pinks And Purples bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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