Titus Andronicus – “An Obelisk”

Künstler Titus Andronicus

Titus Andronicus An Obelisk Review Kritik
“An Obelisk” ist so etwas wie das Gegenstück zum letztjährigen Vorgänger.
Album An Obelisk
Label Merge Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Die Voraussetzungen für das sechste Album von Titus Andronicus hätten nicht besser sein können: An Obelisk wurde aufgenommen mit dem legendären Bob Mould (Hüsker Dü) als Produzent, und zwar in Steve Albinis weltberühmtem Electrical Audio Studio in Chicago. Eine weitere wichtige Zutat war auch vorhanden: Wut im Bauch.

All das Feuer und all die Kracher, die viele Fans und manche Kritiker auf dem letztjährigen A Productive Cough vermisst hatten, scheinen sich Frontmann Patrick Stickles und seine Mitstreiter Liam Betson (Gitarre), R.J. Gordon (Bass) und Chris Wilson (Schlagzeug) für diese Platte aufgespart zu haben. My Body And Me zeigt die beiden im Songtitel benannten Elemente im steten Widerstreit und ist eines der langsamsten Stücke auf An Obelisk, beinahe als Blues zu betrachten. Auf dem Vorgänger hätte es noch zu den dynamischsten Momenten gezählt. The Lion Inside erweist sich als mitreißende Urgewalt, Beneath The Boot liefert die Antwort auf die Frage. wie viel Unwohlsein man in 88 Sekunden packen kann.

Der Grund für so viel Furor und Aufbegehren ist auf An Obelisk natürlich auch nicht schwer zu finden. Titus Andronicus haben die USA in Zeiten von Donald Trump betrachtet und das zum Anlass genommen, ihr eigenes Ethos noch einmal zu schärfen und ihr eigenes Verständnis von Punk noch einmal neu zu definieren. “I blame society“, singt Stickles in der gleichnamigen Single wie ein trotziges Kind und kommt zum Schluss: „I’m not sick, the system is.“ Diese Tirade ist so intensiv, dass seine Wut auch all jene verstehen werden, die kein Englisch können. Hey Ma bringt schon im Titel die Direktheit zum Ausdruck, die dieser Band hier wieder zu eigen ist, am Ende gibt es einen überraschenden Teil mit Irish Punk. Der Tumult Around The World als Abschluss des Albums klingt nach einer ziemlich reizvollen Idee, ebenso wie die nach eigenem Bekunden „inferior version of rock and roll“, die in Just Like Ringing A Bell steckt, das sofort Druck, Tempo und Ungeduld entwickelt und wie ein Boogie nach einem ausgiebigen Bad in der Kloake wirkt.

Within The Gravitron ist ebenso unbarmherzig in Beat und Riff, am Ende aber etwas freigeistiger im Sound. “Too many police on the street” fühlt sich für Titus Andronicus natürlich unbehaglich an (On The Street), obendrein zu dieser Erkenntnis gibt es auch einen Song, der so etwas wie die Brücke zwischen An Obelisk und A Productive Cough schlägt und beweist, dass die Band aus New Jersey keineswegs schizophren geworden ist, sondern einfach unterschiedliche Ausdrucksformen für das Unbehagen gefunden hat, das sie noch immer antreibt. Troubleman Unlimited klingt, als hätte Bruce Springsteen mehr Lust auf Garage denn auf Stadion, und zeigt mit der zentralen Zeile dieser Platte, dass sich Reife und Rebellion nicht ausschließen müssen: „I used to be a problem child, now I’m a trobled man.“

An den Obelisk als Symbol für Freiheit und Menschenrechte erinnert das Video zu (I Blame) Society.

Website von Titus Andronicus.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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