Tora – “A Force Majeure”

Künstler*in Tora

Tora A Force Majeure Review Kritik
Tora haben sich für “A Force Majeure” bewusst viel Zeit gelassen.
Album A Force Majeure
Label Nunine
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

“Oh I’ve found myself in deeper / than I thought I could become”, hört man als erste Zeilen auf diesem Album. In Deeper heißt der Song dazu, er ist soft und bedächtig, dabei elegant und vielschichtig. Und er zeigt mit den ersten Versen ebenso wie mit seinem Titel, dass sich die vier Australier von Tora im Zweifel gerne Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzen, dessen Auswirkungen ihnen dann erst später im vollen Ausmaß klar werden.

So war es, als sie 2013 ihre Band gründeten, und auch, als sie aus ihrer Heimatstadt Byron Bay nach Amsterdam gezogen sind, um von dort aus Europa zu erobern. Stattdessen landeten sie erst einmal im Lockdown. Was sich zunächst wie eine Zwangslage anfühlte, weil weder die geplanten Tourneen möglich waren noch eine einfache Rückkehr nach Hause, begriffen Tora dann als Chance. Sie nutzten die gewonnene Musezeit für eine sehr intensive Arbeit im Studio, aus der nun ihr drittes Album A Force Majeure hervorgegangen ist.

“Die Songs sind für mich im Laufe der Zeit immer wichtiger und relevanter geworden. Ich bin froh, dass wir die Geduld hatten”, sagt Sänger Jo Loewenthal im Rückblick über die elf neuen Lieder. “Als wir im vergangenen Jahr an unserer Musik gearbeitet haben, haben wir uns bloß abgehetzt. Die Musik sollte einfach nur fertig werden. In der Covid-Krise haben wir uns gedacht: ‘Wir müssen etwas machen, damit man uns sieht’, und dann haben wir überlegt: ‘Komm, wir lassen uns Zeit, wir machen‘s in aller Ruhe.’ Es fühlt sich nach einer richtigen Entscheidung an, denn die Konzepte sind im Laufe der Zeit immer stärker geworden.“

Er betont ebenso wie seine Bandkollegen Thorne Davis (Schlagzeug), Shaun Johnston (Bass) und Jai Piccone (Gesang, Gitarre, Keyboards), A Force Majeure sei keineswegs ein Corona-Album. Die Auswirkungen der Pandemie schimmern trotzdem immer wieder durch. “This lockdown dream you wanted / came to feel so real again”, heißt es in Call On Me, einem besonders schwungvollen Moment der Platte, der beispielsweise an Zoot Woman denken lässt. Sehr häufig regiert das Introspektive wie in Put Down Your Phone, das mit Gitarrenklängen zu Beginn überrascht, oder dem Titelsong, der noch mehr wie selbstvergessen wirkt.

Schon den Vorgänger Can’t Buy The Mood (2019) hatten Tora selbst produziert. Die Könnerschaft im Studio und die geduldige Arbeit an Details ist auch hier unverkennbar, etwa in New Age, das zum Glück längst nicht so plakativ (oder so sphärisch) klingt, wie der Titel es vermuten ließe, oder in Inundated, das sehr intuitiv wirkt, aber bei genauerer Betrachtung überaus komplex ist. Why Won‘t You Wait integriert verspielte R&B-Elemente, als hätte James Blake ausnahmsweise Lust auf Tanzen. When Will I Learn lässt das Klavierfundament dieses Stücks deutlich erkennen und scheint kurz in Richtung Gospel abzubiegen (auch wegen der wie ein Mantra wiederholten Textzeilen, die man bei Tora ohnehin sehr häufig findet), entscheidet sich dann allerdings doch lieber für den entspannten Weg in den Club.

Als besondere Stärke von A Force Majeure erweist sich die Fähigkeit von Tora, weibliche Stimmen einzubinden. So entsteht in How Long (ft. Molly Nicholson) eine klasse Dramaturgie. Fire Apartment lebt vom schönen Zusammenspiel des Gesangs von Jo Loewenthal mit der Stimme von Angie Hudson, das für Spannung inmitten der Gefälligkeit sorgt. Auch der Album-Schlusspunkt Metanoia profitiert von einer Gast-Sängerin, in diesem Fall wird das Ergebnis sehr verführerisch, gerade weil der hingehauchte Gesang von Asha Franco hier so weit in den Mittelpunkt rückt.

„In all dem Chaos auf der Welt hat uns dieses Album ein Gefühl von echter Erleichterung verschafft“, erzählt Loewenthal. „Das möchten wir gerne mit der Welt teilen. Die Botschaft lautet: Findet zu euch zurück und arbeitet an euch, damit ihr positiv nach außen wirken könnt! Sich persönlich weiterzuentwickeln, damit man anderen helfen kann. Nicht nur nehmen, sondern geben. Geben ist dasselbe wie nehmen – wenn du gibst, wird jemand anderes nehmen. Und irgendwann kommt es wieder bei dir an.“

Der Clip zu When Will I Learn fängt das Gefühl von Isolation schön ein.

Website von Tora.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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