Velvet Goldmine

Film Velvet Goldmine

Velvet Goldmine Review Kritik
Journalist Arthur Stuart (Christian Bale, rechts) ist Rockstars wie Curt Wild (Ewan McGregor) auf der Spur. Photo by Peter Mountain/Zenith/Killer/Kobal/REX/Shutterstock
Produktionsland USA
Jahr 1998
Spielzeit 124 Minuten
Regie Todd Haynes
Hauptdarsteller Christian Bale, Ewan McGregor, Jonathan Rhys Meyers, Toni Collette, Eddie Izzard
Bewertung

Worum geht’s?

England, 1974: Der Glamrock-Star Brian Slade wird bei einem Konzert auf der Bühne erschossen. Wenig später kommt heraus: Er hat das Attentat bloß vorgetäuscht, lebt noch, versteckt sich aber fortan vor der Öffentlichkeit. Zehn Jahre später soll ein früherer Fan, der jetzt als Journalist in New York arbeitet, für seine Zeitschrift die Hintergründe aufklären. Arthur Stuart spürt dafür etliche Weggefährten des mysteriösen Künstlers auf, darunter seine Ex-Frau, seinen Manager und schließlich auch Curt Wild, einen Musiker, mit dem Brian Slade zunächst eine harte Konkurrenz, später eine besondere Freundschaft verband. Es wird zugleich eine Reise in seine eigene Biographie und Identität – und in eine Ära, in der alles möglich schien.

Das sagt shitesite:

Regisseur Todd Haynes, der hier auch Co-Autor des Drehbuchs war, führt in Velvet Goldmine seine beiden Lieblingsthemen zusammen: Popmusik und Nicht-Hetero-Sexualität. Schon vor diesem Werk hatte er einen Film über Karen Carpenter gemacht, später sollte er in I’m Not There das Leben von Bob Dylan nachzeichnen. Die Musik ist hier noch prominenter vertreten: Neben tatsächlichen Hits aus den Siebzigern gibt es Neukompositionen, die sehr originalgetreu den Sound von damals nachempfinden, etwa von Placebo (die auch mehrere Gastauftritte haben) und Pulp. In Brian Slades imaginärer Band The Venus In Furs spielen Thom Yorke und Jonny Greenwood von Radiohead mit, bei den Wylde Ratttz, die Curt Wild begleiten, sind Thurston Moore von Sonic Youth und Ron Asheton von den Stooges dabei.

Das zweite Leitmotiv seines Schaffens ist hier ebenfalls höchst präsent: Es gibt Orgien und Masturbation, es gibt Männer, die wie Frauen aussehen, und vor allem den klar artikulierten Hinweis, dass sexuelle Identitäten nicht festgelegt sein müssen. Brian Slade, unverkennbar angelehnt an David Bowie (nach einer 1975 von ihm veröffentlichten B-Seite ist der Film benannt), und Curt Wilde, für den Iggy Pop offensichtlich Pate stand, werden zum öffentlichen Liebespaar, sie flirten auf der Bühne, sie küssen sich im Blitzlichtgewitter, sie landen schließlich gemeinsam im Bett.

Die Verbindung zwischen den beiden Elementen Pop und Sex ist die Bewunderung des Außergewöhnlichen. Bezeichnenderweise wird Velvet Goldmine aus der Sicht eines Fans erzählt, denn so sehr Arthur Stuart als Teenager für seine Helden schwärmte, so groß ist auch jetzt als Reporter noch seine Leidenschaft für sie. Einen sehr ähnlichen Blick hat Brian Slade auf Curt Wilde (und umgekehrt): Er sieht ihn auf der Bühne, ist fasziniert von ihm, möchte ihm nacheifern und nahe sein, auch im sexuellen Sinne. Slade und Wilde leben die ultimative Fan-Fantasie aus, als sie zum Paar werden.

Haynes erzählt diese Geschichte, und das wurde ihm oft vorgeworfen, wenig zusammenhängend. Um im Bild zu bleiben: Wäre dies ein Album oder ein Konzert, würde man den fehlenden Spannungsbogen bemängeln oder die nicht stimmige Atmosphäre. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Gerade die Widersprüchlichkeit der Aussagen, auf die Arthur Stuart während seiner Recherchen trifft, und die oft surreale Welt des Musikbusiness tragen dazu bei. Der Versuch, eine Brosche von Oscar Wilde (der hier sozusagen zum Übervater des Glam ernannt wird) als verbindendes Element zu etablieren, hat vielleicht auch mit diesem Problem zu tun.

Dieser Kritikpunkt greift allerdings insgesamt zu kurz: Wie der Glamrock, so setzt auch der Film in erster Linie auf eine Überwältigungsästhetik. Die Kraft der Musik spielt dabei natürlich eine entscheidende Rolle, aber ebenso die Outfits (Kostümbildnerin Sandy Powell erhielt für ihre Entwürfe in Velvet Goldmine eine Oscar-Nominierung) oder sehr liebevolle Ausstattungsdetails wie die erfundenen Plattencover und Schlagzeilen dieser Zeit. Viele Passagen erinnern an heutige Musikvideos, all das wird verknüpft zu einer Hymne auf eine Ära.

Es ist ein Spiel, in dem Grenzen ausgelotet, neue Kombinationen erprobt und Provokationen gefeiert werden. Die Botschaft heißt: Man kann nicht nur ein Alter Ego auf der Bühne haben, sondern ist auch im echten Leben nicht auf eine Facette seiner Persönlichkeit festgelegt. Velvet Goldmine zeigt Pop – und Kunst insgesamt -, sehr treffend und visuell umwerfend, als Fantasiewelt und Multiplikator von Möglichkeiten.

Bestes Zitat:

“Man is least himself when he talks in his own person. Give him a mask and he’ll tell you the truth.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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