Wage War – “Pressure”

Künstler Wage War

Wage War Pressure Review Kritik
Ohne Druck kein Diamant – das ist wohl die Botschaft des Covers.
Album Pressure
Label Fearless
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Blueprints hieß 2015 das Debütalbum von Wage War. Es ist ein wenig passender Titel für den Sound des Quintetts aus Florida. Denn Briton Bond (Gesang), Cody Quistad (Gitarre, Gesang), Seth Blake (Gitarre), Chris Gaylord (Bass) und Stephen Kluesener (Schlagzeug) hatten stets etwas anderes vor, als ihre Vorgänger im Metalcore bloß zu kopieren. Sie wollen einen eigenen Beitrag leisten, sogar einen eigenen Maßstab setzen. Low, der erste Vorgeschmack, den es für ihr heute erscheinendes drittes Album Pressure gab, rief das sofort in Erinnerung: Es gibt ein klares Ursprungskonzept von Laut/Leise beziehungsweise Hart/Soft, aber mit etlichen interessanten Details, die man in dieser Form eben nur bei Wage War findet.

Dieses Mal hat die Band auch die Sache mit dem Albumtitel besser hinbekommen. Die Entscheidung für Pressure erklären sie so: „Wenn du eine neue Platte machst, stehst du immer unter Druck, egal wie lange deine Karriere schon währt. Jede Entscheidung von dir und den anderen Leuten im Studio beeinflusst die nächste. Wenn du es richtig anstellst, kann es dein Leben verändern. Diesmal fühlte es sich für uns wie eine Alles-oder-nichts-Situation an. Wir spürten den Druck, das perfekte Wage War-Album zu machen, das alles einfängt, was Leute an unserer Band lieben, und zugleich neue Felder für uns erobert.“ Nach dem Erfolg der ersten beiden Platten und Tourneen etwa mit I Prevail, Of Mice & Men, Parkway Drive oder A Day To Remember, sollte die nächste Stufe gezündet werden, sagt Cody Quistad: „Wir haben uns wirklich sehr bewusst gemacht, dass wir uns weiterentwickeln und wachsen wollen. Das Ziel war, so eingängig und zugleich heavy wie möglich zu sein. Wir wollten zeigen: Dies ist Wage War. Dies ist, wozu wir in der Lage sind.“

Wie das gemeint ist, zeigt die erste Single Who I Am, die das Album auch eröffnet und daran erinnert, wie Musik klingen muss, wenn sich eine Band „Wage War“ nennt: Das Schlagzeug ist brutal, die Gitarre brachial, der Gesang gleicht einem Grunzen. Bis dann plötzlich im Refrain eine schöne Melodie zu erkennen ist, eine softe Stimme und beschauliche Keyboards. Ghost wird zwischenzeitlich angsteinflößend heavy, auch wenn der Refrain vielleicht sogar radiotauglich wäre (und das Gitarrensolo einem Metal-Klassiker entsprungen sein könnte). The Line wagt sich an ein paar New-Metal-Elemente, das kurze Schweigen danach macht klar, wie viel Kraft und Wucht in dieser Musik steckt, und diese paar Sekunden als Verschnaufpause braucht man auch, wie sich dann im folgenden Fury herausstellt: Falls Tyson Fury noch eine Einmarschmusik sucht, die seinen Gegnern noch mehr Angst macht als seine Kampfbilanz im Boxring, sollte er schleunigst dieses Lied kennenlernen, inklusive der ebenso passenden Refrainzeile „No judgement, no jury / I am, I am the fury.“

Dem stehen immer wieder auch entspannte Passagen entgegen. Me Against Myself beginnt ausgesprochen soft und bleibt auch danach über weite Strecken besonders zugänglich. Will We Ever Learn baut sehr gekonnt eine packende Atmosphäre auf, in der die ruhigeren Phasen noch eindrucksvoller sind als der Krawall. Bei Hurt stellt sich gar die Frage: Darf man Powerballade dazu sagen (und darf man 2019 noch Powerballaden machen)?

Um die angestrebte Weiterentwicklung auch wirklich zu erreichen, haben Wage War auch ein paar Parameter außerhalb der Band verändert. Erstmals haben sie in Los Angeles aufgenommen, und zwar mit Produzent Drew Fulk (Motionless In White, Lil Peep, IDKHOW). „Wir waren alle außerhalb unserer Komfortzone, und das hat sich ausgezahlt“, sagt Cody Quistad. „Wir konnten nach Feierabend nicht einfach nach Hause gehen. Wir haben im selben Haus gewohnt, was die Verbindung zwischen uns wieder gestärkt hat. Wir haben uns gemeinsam Konzerte angesehen, sind dann zurückgekommen und haben nachts um 2 Uhr noch Songs geschrieben.“

Take The Fight könnte einer davon gewesen sein. „So etwas haben wir nie zuvor gemacht. Es ist ein Schlachtruf. Wir hatten schon immer düstere Lieder, aber wir wollen in der darunter liegenden Botschaft auch etwas Licht enthalten. Es soll die Menschen ermutigen, nicht mehr so ignorant zu sein und besser miteinander umzugehen“, sagt Cody Quistad. Grave, das auch elektronische Elemente integriert, hat ein ähnliches Thema: „Irgendwann kommst du an den Punkt, wo dir klar wird, dass du die Verbindung zu Leuten kappen musst, die nicht gut für dich sind. Du  hast ihnen immer wieder eine Chance gegeben und siehst endlich ein, dass sie das nicht verdienen”, sagt der Gitarrist zur Erfahrung, die den Song geprägt hat.

Prison vereint Schmerz und Selbsthass („I’m trapped in my own skin / this is my prison“) mit einem Ohoho-Chor und plakativem Schlagzeug, Forget My Name ist ebenfalls typisch für Pressure, denn auch hier gibt es eine Position der Defensive und dann die Befreiung daraus. “Wenn du die Platte hörst, bekommst du hoffentlich den Eindruck, dies sei Wage War bis zum Äußersten”, sagt Cody Quistad und betont: “Die Texte kommen aus tiefstem Herzen. Vielleicht helfen sie dir, eine harte Zeit zu überstehen, einen weiteren Tag zu meistern, oder geben dir die Kraft, mit jemandem darüber zu reden. Es gibt nichts Besseres.”

Viel Dampf (und Dampfablassen) gibt es im Video zu Grave.

Website von Wage War.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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