Will Oldham – “Songs Of Love And Horror”

Künstler Will Oldham

Will Oldham Songs Of Love And Horror Review Kritik
Seine eigene Songs interpretiert Will Oldham auf “Songs Of Love And Horror” neu.
Album Songs Of Love And Horror
Label Domino
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Die meisten seiner unzähligen Platten hat Will Oldham als Bonnie „Prince“ Billy oder Palace Brothers/Music/Songs veröffentlicht. Dass nun erstmals seit Joya (1997) sein eigener Name auf der Hülle steht, liegt natürlich an einem besonderen Kontext. Parallel zu Songs Of Love And Horror erscheint ein gleichnamiger, mehr als 300 Seiten starker Lyrikband in Buchform, der seine Texten aus 25 Jahren versammelt. „Meine Songtexte nenne ich nicht Lyrics, sondern Song Words. Sie sind Tarnungen. Kostüme für Emotionen, Erinnerungen, Probleme und Aufschreie. Mein Vorwand, überhaupt mit Menschen zu kommunizieren“, schreibt Will Oldham im Vorwort dazu.

Zu diesem Klischee des verklemmten Singer-Songwriters, der sich kaum aus seinem stillen Kämmerlein wagt, passt die Ästhetik der zwölf Lieder von Songs Of Love And Horror. In Only Someone Running kann man Will Oldham kurz pfeifen hören, ansonsten gibt es hier durchweg nur seinen Gesang und seine akustische Gitarre zu hören. Diese reduzierten Versionen seiner eigenen Songs zeigen vor allem seine Sensibilität: In Big Friday klingt er hilfsbedürftig und dankbar, So Far And Here We Are bekommt den Charakter einer Beichte, wie er in New Partner dieses „You are always on my mind“ haucht, ist zauberhaft und herzerweichend.

Den Auftakt macht I See A Darkness, der älteste der hier vertretenen Songs (er stammt vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1999), die Neuinterpretation ist bedrohlich und verschwörerisch, der Text erzählt zugleich individuell und universell von einer Liebe, die groß ist, aber nicht frei von Gefahr, Zweifel und Enttäuschung. Die Zeile „Love me the way I love you“ in The Way ist keine Einladung oder Aufforderung, sondern ein Flehen, der Song wirkt noch schlichter und zerbrechlicher als der Rest des Albums. Ohio River Boat Song ist hingegen ein besonders heller und zarter Moment und wirkt beinahe wie ein Traditional.

Strange Affair, im Original von Richard und Linda Thompson, singt er acappella als Rückblick auf verlorene Wegbegleiter und geplatzte Träume. Party With Marty (Abstract Blues), ein bisher unveröffentlichter Song aus dem Archiv, schließt die Platte ab mit einem Lo-Fi-Sound, der aus den 1940er Jahren stammen könnte. In Wai gibt er sich vollkommen hin, es gibt in diesem Lied kein Ego mehr, sondern nur noch Liebe, die überhöht wird wie fast im Minnesang. Ganz oft singt Will Oldham ein Gegenüber an, das eine geliebte Person sein kann, eine Erinnerung, vielleicht auch Gott. Most People ist so ein Beispiel als Reflexion über Vergänglichkeit mit einer Gitarre, die in Trance versetzen könnte. „Thank you there’s no room for desaster in my world to come“, singt er „Thank you for making this easy / that’s all I wanted.“ Auch in The Glory Goes mit seiner besonders verspielten Melodie kann man diesen Effekt beobachten, zugleich wird hier die Musik gefeiert als sein Medium, seine Therapie, sein Lebenselexier. „You remind me of something / a song that I am / and you sing me back into myself / when I wake, when I’m sleeping / a song is a man and a woman / and everything else“, heißt es im Text. Passend dazu verrät der Künstler im Buch, dass sich diese Dialoge manchmal einfach bloß an sein eigenes Instrument richten: „Ich fordere meine Stimme gern heraus. Denn sie ist alles, was ich habe. Das, was ich auf der Gitarre mache, ersetzt bestenfalls ein fehlendes Gegenüber.“

Die neue Version von I See A Darkness im Video.

Website von Bonnie “Prince” Billy.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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