Young Fathers, Conne Island, Leipzig

Konzertfoto Young Fathers Conne Island Leipzig
Körperlichkeit, die Angst machen kann: Young Fathers in Leipzig.

Es gibt Bands, die spielen ein Tamburin, indem sie es an die Hi-Hat klemmen und mit der Fußmaschine bei jeder Viertelnote rasseln lassen. Es gibt Bands, die spielen ein Tamburin, indem sie mit der Hand oder einem Drumstick bei jeder vierten Viertelnote draufhauen. Und es gibt Young Fathers. Ihr Live-Dummer thront knapp unter der Decke im Conne Island in Leipzig, und er schlägt nicht auf das Tamburin, sondern mit dem Tamburin. Eins in jeder Hand, verprügelt er seine Trommeln damit, sodass schon nach ein paar Sekunden das erste Beckenstativ umfällt.

Das ist durchaus symptomatisch: Rhythmus ist die treibende Kraft an diesem Abend, in einem Ausmaß und mit einer Energie, die manchmal Angst machen können. Die Show der drei Schotten hat eine Körperlichkeit, die man bis in die hinterste Reihe spürt: Da gibt es afrikanische Bauchtänze von Alloysious Massaquoi, ein beinahe kriegerisches Workout von Kayus Bankole und als Kontrastprogramm ‘G’ Hastings: Er bewegt sich zwar kaum, hält aber – was fast genauso intensiv wirkt – konstant einen Blick wie von einem notorischen Hooligan, der sagen will: Ich war’s nicht.

Just Another Bullet ist als dritter Song das erste Highlight des Abends in Leipzig. Nochmal drei Songs später ist mit Get Up, das im Vergleich zur Albumversion gefühlt noch drei zusätzliche Beats verpasst bekommt, der nächste Höhepunkt erreicht. Und da ist längst klar: Bei allem Körpereinsatz auf der Bühne ist die Musik nach wie vor das eigentliche Spektakel bei Young Fathers.

Konzertfoto Young Fathers Conne Island Leipzig
Volle Konzentration und kein Gehampel bot das Trio aus Edinburgh.

Denn der Beat ist bei diesem Irgendwie-dann-doch-HipHop-Act aus Edinburgh zwar die treibende Kraft, aber eben nicht das einzige Element, das sie ins Zentrum stellen. Die Texte sind irre (gefühlt die Hälfte des Conne Island ist mit Briten gefüllt, dieser Faktor wird also auch wertgeschätzt), dazu kommt eine Attitüde maximaler Überzeugung und Konzentration. Es gibt kein Gehampel und kaum Ansagen (die wichtigste lautet „Make some noise if you welcome refugees!“), nichts, was vom Effekt dieser Musik ablenkt. Und es gibt, das ist die wahrscheinlich wichtigste Qualität der Young Fathers, eine unverkennbare Musikalität und Könnerschaft.

Sie können die Beastie Boys sein und im nächsten Moment Boys 2 Men, sie können Outkast sein und sich plötzlich in Atari Teenage Riot verwandeln, sie finden eine perfekte Verbindung zwischen Marvin Gaye und den Specials. Nach ziemlich genau einer Stunde (und ohne Zugabe) beschließen sie die Show im Conne Island mit einer Acappella-Nummer. Davor haben sie das fantastische Shame platziert und man kann nicht anders als glauben: In diesem einen Track steckt so viel gute Musik, dass man nie mehr andere Musik brauchen wird.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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