Autor | Hermann Hesse |
Titel | Demian |
Verlag | Suhrkamp |
Erscheinungsjahr | 1919 |
Bewertung | ***1/2 |
Jemand hat mir mal gesagt, ich hätte große Ähnlichkeit mit dem Demian und meinte damit wahrscheinlich gar nicht die Figur des Demian, sondern in Wirklichkeit den Erzähler in Hesses “Demian”, der Sinclair heißt.
Ich verstehe das nicht. Denn dieser Sinclair ist die Hesse-Figur, mit der ich mich am wenigsten identifizieren kann. Natürlich ist in ihm vieles wieder enthalten, wofür man Hesse schätzt: der Weltschmerz, die Einsamkeit, die Sinnsuche. Im Sinclair ist ein zentrales Hesse-Thema auch so explizit ausgearbeitet wie zuvor nirgends: das schmerzvolle Abschiednehmen von der Kindheit.
Sinclair sehnt sich zurück in diese heile Welt, weiß aber auch die Mündigkeit zu schätzen, die ihm erst das Ende der Kindheit gebracht hat. Er sucht eine Symbiose von beiden (in der Liebe, bezeichnenderweise zu einer reifen Frau: Demians Mutter). Herrlich wird dieser Zwiespalt deutlich: “Die Einsicht, dass mein Problem ein Problem aller Menschen, ein Problem allen Lebens und Denkens sei, überflog mich plötzlich wie ein heiliger Schatten, und Angst und Ehrfurcht überkam mich, als ich sah und plötzlich fühlte, wie tief mein eigenstes, persönlichstes Leben und Meinen am ewigen Strom der großen Ideen teilhatte. Die Einsicht war nicht freudig, obwohl irgendwie bestätigend und beglückend. Sie war hart und schmeckte rauh, weil ein Klang von Verantwortlichkeit in ihr lag, von Nichtmehrkindseindürfen, von Alleinsein.” Später dann: “Was mir wohltat, war das Vorwärtsfinden in mir selber, das zunehmende Vertrauen in meine eigenen Träume, Gedanken und Abneigungen, und das zunehmende Wissen von der Macht, die ich in mir trug.”
Trotzdem sind mir Demian und Sinclair höchst suspekt. Zunächst einmal missfällt mir, dass sie sich für auserwählt halten, für bessere Menschen. Vielleicht sogar: für die einzig wahren Menschen. Zum anderen ist da dieses spiritistische, zauberhafte, spinnerte Element in diesem “auserwählten” Zirkel, gipfelnd in der Telepathie.
Dazu passt die – ebenfalls zu tadelnde – Auffassung vom Schicksal. Sinclairs Schlussfolgerung, man müsse “schicksalsbereit” sein, also das Selbst zunächst einmal anerkennen, bevor man sich auf die Suche danach macht, beinhaltet für meinen Geschmack einen etwas zu großen Anteil an Vorherrbestimmung des Menschen. Wie soll das Selbst alles sein, wenn gleichzeitig das Schicksal fast allmächtig ist? Zudem fehlt in der Philosophie von Demian und Sinclair die Moral, das Absolute und Ewige: Gott.
Beste Stelle: “Wir sind Menschen. Wir machen Götter und kämpfen mit ihnen und sie segnen uns.”