Abwärts – “Smart Bomb”

Künstler Abwärts

Abwärts Smart Bomb Review Kritik
13 Lieder haben Abwärts auf ihr 13. Album gepackt.
Album Smart Bomb
Label Off Ya Tree
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Eine neue Version ihres Klassikers Computerstaat haben Abwärts Anfang dieses Jahres vorgelegt. So etwas wird ja gerne genommen, wenn einer seit rund 40 Jahren aktiven Band nichts mehr einfällt. Bei Frank Z (Gesang), Rodrigo Gonzalez (Gitarre), Björn Werra (Bass) und Martin Kessler (Schlagzeug) liegt der Fall allerdings anders: Der Song, der Abwärts 1980 gemeinsam mit dem Debütalbum Amok Koma auf die musikalische Landkarte setzte, ist relevanter denn je, hat geradezu prophetische Kraft bewiesen. Darauf noch einmal hinzuweisen, kann nicht schaden.

Dass es auch an neuen Ideen nicht mangelt, beweist Smart Bomb. Die 13 Songs auf dem heute erscheinenden 13. Album der Deutschpunk-Pioniere schaffen es tatsächlich, ein paar Überraschungen bereitzuhalten. Um in das Meer zu gehen erweist sich als Flamenco mit etwas Elektronik, dann bricht der Frust von jemandem heraus, der immer außen vor war. In Kreuzberg 1. Mai Happy Happy Ding Dong verkündet eine fiktive Nachrichtensprecherin für diesen Termin allerorten ironisch Friede, Freude, Eierkuchen statt der üblichen Krawalle. All die Fressen ist eine angemessen angewiderte Reaktion auf die Celebrity-Kultur, den Andrews-Sisters-Hit Rum & Coca Cola interpretieren Abwärts mit Calypso-Beat und natürlich strotzend vor Sarkasmus. Mit Sehnsucht, basierend auf einem Text von Wilhelm Busch, gibt es sogar etwas, das man als Ballade bezeichnen könnte.

Ähnlich wie auf dem Vorgänger Krautrock (2014) sind die Themen zwar aktuell, Innovation ist freilich ein untergeordnetes Ziel bei Abwärts. Viel wichtiger ist es, dem eigenen Ethos und der eigenen Biografie treu zu bleiben. Charlie Brown zeigt das am deutlichsten als Knüppel-Punk, bei dem einige Passagen von den Ramones vorstellbar wären. Lass Blumen sprechen ist brachial im Sound und hat eine tief sitzende Wut als Basis, der Titelsong Smart Bomb wird explosiv, bedrohlich und schlecht gelaunt. „Mit aller Macht“, heißt eine Zeile darin – so klingt es auch.

Das Digitalisierungsmotiv, das in diesem Lied über computergesteuerte Tötungsmaschinen steckt, wird auch im Booklet des Albums sichtbar, das in der Mitte eine Doppelseite voller Nullen und Einsen zeigt. Ebenso klingt es in Autonomes Fahren an. Mit viel Tempo und einem Riff in der Nähe von Rockabilly gehen Abwärts darin der Frage nach, warum die Welt nur mit Drogen zu ertragen zu sein scheint. Vorsicht thematisiert eine von (echter und eingebildeter) Angst getriebene Welt, Going Down besticht vor allem durch seinen sehr simplen und sehr eingängigen Refrain. Mit dem schmissigen Plastik Mann gibt es auch einen Moment mit albernem Pennäler-Humor („dem Gummi-Wiener wird nie kalt“), der irgendwie auch schon immer zum Punk in Deutschland gehört.

Diese Kontinuität sollte man nicht für konservativ halten, denn sie erwächst nicht aus Ignoranz und der Angst vor Veränderung, sondern aus Nichteinverstandensein, grundsätzlich und weiterhin. Aber für nichts, das am Beginn von Smart Bomb steht, zeigt mit der Zeile „Für nichts in der Welt rühre ich in dieser Scheiße mit“ am deutlichsten, wofür Abwärts auch nach 40 Jahren so energisch eintreten: Prinzipientreue.

Gutes Handwerk für die letzte Ruhe preist das Video zu Going Down.

Im Herbst sind Abwärts auf Tour:

SMART BOMB – Tour 2018
02.10.18 Arnstadt – Prinzenhofkeller
03.10.18 CH-St. Gallen – Torpedo Bar
04.10.18 CH-Solothurn – Kofmehl
05.10.18 CH-Winterthur – Gaswerk Kulturzentrum
06.10.18 CH-Zug – Galvanik Kulturzentrum
11.10.18 Osnabrück – Bastard
12.10.18 Düsseldorf – The Tube
13.10.18 Lüneburg – Gasthausbrauerei
08.11.18 Rüsselsheim – Rind
09.11.18 Saarbrücken – Garage
10.11.18 Bonn – Bla
15.11.18 Berlin – SO36
16.11.18 Husum – Speicher
17.11.18 Hamburg – Nochtspeicher

Website von Abwärts.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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