ÄTNA – “Made By Desire”

Künstler ÄTNA

ÄTNA Made By Desire Review Kritik
Auf ihrem ersten Album sind ÄTNA weniger affektiert, dafür emotionaler.
Album Made By Desire
Label Humming Birds
Erscheinungsjahr 2020
Bewertung

Zwei EPs haben ÄTNA bisher veröffentlicht, und es gab viel, was man daran bewundern konnte. Sängerin Inéz (eine Schweizerin mit spanisch-jüdischen Wurzeln) und ihr Kompagnon Demian (er stammt aus der westdeutschen Provinz) haben in ihrer Dresdner Wahlheimat eine ziemlich eigene Ästhetik entwickelt, zu der neben den Songs auf ÄTNA (2017) und La Famiglia (2018) auch Mode und Design gehören, wie beispielsweise Logo, Outfits und Videos des Duos zeigen. Beide waren zum Studium nach Dresden gekommen, machen seit 2016 gemeinsam Musik und haben als Ziel für ihre künstlerische Tätigkeit ausgegeben, „sich eine eigene Welt zu zimmern“.

ÄTNA haben aber gelegentlich auch ein Defizit offenbart: So schlau und einzigartig ihre Musik war, so artifiziell war sie gelegentlich auch. Dass sie für ihr heute erscheinendes erstes Album, das erneut mit Produzent Moses Schneider aufgenommen wurde (und zwar in den Berliner Hansastudios), nun den Titel Made By Desire gewählt haben, kann man deshalb vielleicht als programmatisch verstehen. In der Tat schaffen sie es hier erstmals, nicht nur mit perfekt inszenierten Oberflächen zu beeindrucken, sondern auch die Gefühle zu offenbaren, die Ursprung dieser Lieder sind.

Touch My Fantasy, das zweite Lied der Platte, ist ein Beispiel dafür, das hochgradig emotional ist, verletzlich, sehnsuchts- und geheimnisvoll. Like That Game ist feurig, packend und so aufregend wie die darin enthaltene Zeile „Playing with fire.“ Der nur Klavier und Gesang enthaltende Album-Abschluss As Fast As I erweist sich tatsächlich als bewegend. „It’s human“, singt Inéz im Titelsong, und endlich kann man ihnen das auch glauben. Das Lied ist verspielt, aber nicht selbstverliebt und innerhalb eines Tages entstanden. „Als ich den Song geschrieben habe, habe ich mich gefühlt wie in einer anderen Zeit“, erzählt die Sängerin.

Ruining My Brain ist der einzige Moment auf Made By Desire, der noch an die alten, viel zu affektierten ÄTNA erinnert. Der Track enthält eine bitterböse Bass Drum, die am Ende ich Richtung Rave-Ekstase führt und ihn so doch noch rettet. If You Were Gone ist ähnlich komplex und rätselhaft, aber atmosphärisch viel gelungener und extrem spannend. Die Single Try hat im letzten Drittel einen deutschen Text und erweist sich als Aufruf, an sich zu arbeiten. „Egal wie verbittert jemand ist, ich versuche immer noch das Menschliche zu sehen. Ich habe die Hoffnung, dass hinter jedem Arschloch ein Mensch steckt und es nie zu spät ist, um sich zu ändern“, sagt Inéz dazu. Umgesetzt wird das – auch das passt zur neuen Nähe und Menschlichkeit – fast ohne Effekte, lange Zeit erklingen nur Klavier und Stimme, bis sich ganz spät noch ein Schlagzeug dazugesellt.

La la la la la ist niedlich, aber nicht naiv, der Song ist einnehmend, aber nicht plakativ. Come To Me ist druckvoll, prägnant und fordernd, Won’t Stop vereint die bei ÄTNA manchmal typische Zappeligkeit mit großer Eleganz, wird aufgewühlt und so abwechslungsreich wie fast alles bei diesem Duo. „Improvisation ist unsere Philosophie. Und unser Tempo jedes Mal ein anderes“, sagt Inéz treffend. Schön, dass ÄTNA jetzt auch erkennen lassen, was sie hinter diesem Tempo antreibt.

ÄTNA als Gesamtkunstwerk kann man auch im Video zu Won’t Stop erkennen.

Website von ÄTNA.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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