Boy A

Film Boy A

Boy A Review Kritik Rezension
Jack Burridge (Andrew Garfield) darf seine wahre Identität nicht verraten.
Produktionsland Großbritannien
Jahr 2007
Spielzeit 100 Minuten
Regie John Crowley
Hauptdarsteller Andrew Garfield, Peter Mullan, Katie Lyons
Bewertung

Worum geht’s?

Mit 24 Jahren kommt ein junger Mann aus dem Gefängnis und bekommt eine neue Identität. Vorher hieß er Eric Wilson, jetzt soll er als Jack Burridge einen neuen Anfang wagen. Das ist schwierig genug, denn er hat mehr als sein halbes Leben hinter Gittern verbracht, als Strafe für ein schreckliches Verbrechen: Als 10-Jähriger hat er gemeinsam mit einem Schulfreund, der sich später in Haft das Leben nahm, ein gleichaltriges Mädchen getötet. Das Verbrechen versetzte damals das ganze Land in Aufruhr, entsprechend wichtig ist es nun, dass er nicht mit seiner Vergangenheit in Verbindung gebracht wird. Seine einzige Vertrauensperson ist sein Bewährungshelfer Terry. Nach vielen Therapiesitzungen sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Resozialisierung gut, meint dieser. In der Tat findet Jack schnell Anerkennung in der Logistikfirma, in der er einen Job bekommt, findet Freunde und verliebt sich in seine Kollegin Michelle. Doch je besser er in seinem neuen Leben zurecht kommt, desto klarer ist ihm auch: Wenn sein Geheimnis ans Licht kommt, bricht alles zusammen. Seine Sehnsucht danach, jemanden ins Vertrauen zu ziehen, wird immer größer – dann wird seine dunkle Vergangenheit ohne sein Zutun tatsächlich enthüllt.

Das sagt shitesite:

Sehr fokussiert auf wenige Personen erzählt Boy A, angelehnt an einen echten Fall aus dem Jahr 1993, von der Frage, wie lange Schuld währt. Das gilt schon auf der ersten Zeitebene, die das Verbrechen von Eric und seinem Freund nachzeichnet: Sie haben ein Kind getötet, grausam und ohne ersichtlichen Grund. Doch sie waren selbst noch Kinder, aus schwierigen Verhältnissen und offensichtlich ohne die Fähigkeit, die Dimension ihrer Tat wirklich zu begreifen. Können sie für eine solche Tat zur Veranwortung gezogen werden, ein Leben lang?

Boy A (der Titel ist der Tarnname, der minderjährigen Straftätern in England gegeben wird) schafft es, dieser Frage auf der zweiten Zeitebene nach Erics Entlassung aus dem Gefängnis und seiner Verwandlung in Jack weitgehend unparteiisch nachzugehen und dabei doch die Tragik aufzuzeigen, die darin steckt. Der Film kann hart sein und sensibel, er blickt auf die Bedrängnis von Jack, ohne die Tatsache auszublenden, dass er einen Mord begangen hat, mit einem Opfer, mit leidenden Hinterbliebenen, mit großer öffentlicher Betroffenheit.

Die persönliche Buße spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Schwierigkeit der gesellschaftlichen Rehabilitation. Schon sehr bald wird klar, dass niemand als Boy A leben kann. Für seinen eigenen Seelenfrieden braucht Jack eine Identität. Die Tatsache, dass für ihn selbst dazu stets auch seine Vergangenheit gehören wird, für alle in seinem Umfeld dieser dominierende Aspekt seines Lebens aber verborgen bleiben muss, führt ihn zwangsläufig in Konflikte: Die Schizophrenität aus Eric/Jack prägt ihn, aber er darf sie niemandem offenbaren. Dass es aus diesem Dilemma kein Entkommen geben wird (“Escape” heißen bezeichnenderweise die Turnschuhe von Nike, die er von Terry als Geschenk zur Entlassung bekommt), ist dem Zuschauer schnell klar, aber für ihn selbst ist es ein schmerzhafter Weg bis hin zu dieser Erkenntnis,

Der Kniff mit den Turnschuhen ist einer von mehreren Momenten, in denen der Film ein bisschen zu offensichtlich wird. Sehr gelungen ist hingegen das Ende von Boy A, ebenso wie der Blick auf die Rolle der Medien bei Gewaltverbrechen von jugendlichen Straftätern: Was Jack am meisten fürchten muss, ist der von der Boulevardpresse angestachelte Mob, der ihm seinen Tat nie vergeben wird und auch viele Jahre später noch nach Rache und Vergeltung dürstet. Dass ausgerechnet die positive Aufmerksamkeit der Medien, als er gemeinsam mit einem Arbeitskollegen zum Lebensretter eines kleinen Mädchens wird, ihn in Gefahr bringt, erkannt zu werden, ist ein wunderbar ironischer Kniff.

Bestes Zitat:

“Ich bin nicht dieser Junge.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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