Drab Majesty – “Modern Mirror”

Künstler Drab Majesty

Drab Majesty Modern Mirror Review Kritik
Von einem antiken Mythos ist “Modern Mirror” inspiriert.
Album Modern Mirror
Label Dais Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Dass Deb DeMure einmal Schlagzeuger war, merkt man auf dem dritten Album von Drab Majesty kaum noch. Der Mann, der bürgerlich Andrew Clinco heißt und einst die Drums bei Marriages und Black Mare spielte, ist das Mastermind dieses Projekts aus Los Angeles, das mittlerweile (angereichert um Mona D) als Duo firmiert. Die acht Stücke auf Modern Mirror sind düster, synthie-lastig und oft mit einer melancholischen Melodieseligkeit versehen. All die Dinge, die man mit einem Schlagzeug verbindet (klar strukturiert, nach vorne drängend, energisch) sind sie hingegen nicht. Nicht umsonst nennt Deb DeMure seinen Sound gerne „Tragic Wave” oder „Mid-Fi”.

Gleich der Auftakt Dialogue verdeutlicht das. Es geht um Liebeserklärungen, auch unausgesprochene, die Stimme ist dabei als Kanon mit viel Delay und Hall inszeniert, sodass man nicht ganz sicher sein kann, ob dieses Zwiegespräch nicht doch viel eher ein Monolog ist. Gitarre und Synthies agieren erstaunlich gleichberechtigt, bloß der Beat bleibt überraschend dezent: Er wird eher genutzt, um die Atmosphäre zu stärken als um dem Ganzen eine Form zu geben.

Die Sache mit den Soundeffekten ist keineswegs Zufall, sondern Entsprechung des Konzepts, das hinter der mit Produzent Josh Eustis (Telefon Tel Aviv) in Athen (Griechenland, nicht Georgia) aufgenommenen Platte steckt. Modern Mirror ist eine Neuinterpretation des von Ovid aufgezeichneten Mythos’ von Narziss und Echo. Das erklärt auch den Titel von Ellipsis, dessen Gitarre (und affektierter Gesang) allen Smiths-Fans gefallen dürfte. Auch Oxytocin gönnt sich einen griechischen Titel und bei diesem Song kann man nicht nur aus dem Gitarrensound heraushören, wie die Idee zustande kam, Drab Majesty im Vorprogramm der Smashing Pumpkins auftreten zu lassen. Das Stück klingt, als hätte jemand die Beats und Texte von Adore mit den verträumten Elementen auf Mellon Collie zusammengeworfen.

Der Bezug zur Antike wird nicht überstrapaziert und passt letztlich gut zur Ästhetik, die Drab Majesty seit ihrem ersten Release Unarian Dances (2012 in nur 100 Exemplaren als selbst veröffentlichte Kassette erschienen, später auch als reguläres Album bei Lolipop Records) und Careless (2015) entwickelt haben. Noise Of The Void entfaltet diese düster-schwelgende Romantik im Stile der frühen Depeche Mode rund um die Zeile „I’s the emptiness, the emptiness.“ In Dolls In The Dark gibt es kraftvolle Elemente und beinahe ätherische, Einladendes und Verstörendes.

Die Idee mit der mythologischen Vorlage hat aber auch ihre Schattenseiten. The Other Side ist ein Beispiel dafür. Der Track liefert New Wave im Stile von Human League oder OMD, und zwar durchaus eingängig. Aber gerade weil dieser Sound hier aus einer Zeit vor 35 Jahren nachempfunden und nicht aktuell als ultimative Entsprechung für die akute eigene Gefühlswelt erfunden wird, klingt er auch synthetisch, kalt und letztlich (sehr passend bei diesem antiken Bezug) selbstverliebt. Einen ähnlichen Eindruck kann man bei Long Division gewinnen. Alles darin ist zurückgenommen, trotzdem möchte man das Ergebnis nicht „Ballade“ nennen, auch weil der Song nicht auf Emotionalität aus ist, sondern Sound und Effekt stets im Vordergrund bleiben. Manchmal werden Drab Majesty damit zum Opfer ihres eigenen Konzepts. Für trübselige Synth-Pop-Liebhaber wird Modern Mirror aber trotzdem ein Vergnügen sein, in dem sich Out Of Sequence als Highlight erweist: Hier kann man einen sagenhaft offensiven (man könnte auch sagen: schamlosen) Umgang mit Achtziger-Fetisch erleben, der freilich ebenso eingängig wie stilsicher daher kommt.

Andy Warhol scheint für das Video zu Ellipsis Pate gestanden zu haben.

Drab Majesty bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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