Draufgeschaut: Das Ende der Unschuld

Jacob (Conor Donovan, links) trauert um seinen Zwillingsbruder Rudy.
Jacob (Conor Donovan, links) trauert um seinen Zwillingsbruder Rudy.
Film Das Ende der Unschuld
Originaltitel Twelve And Holding
Produktionsland USA
Jahr 2005
Spielzeit 87 Minuten
Regie Michael Cuesta
Hauptdarsteller Conor Donovan, Zoe Weizenbaum, Jesse Camacho, Jeremy Renner, Annabella Sciorra, Linus Roache
Bewertung

Worum geht’s?

Für die Zwillingsbrüder Jacob und Rudy sowie ihre Freunde Leonard und Malee ist das gemeinsame Baumhaus im Wald ihr Refugium. Hier tauschen die Zwölfjährigen ihre Geheimnisse aus und erleben die Abenteuer der Sommerferien. Allerdings werden sie dort immer wieder von Gus und Jeff, zwei anderen Jungs, drangsaliert. Rudy und Leonard beschließen deshalb, das Baumhaus rund um die Uhr zu besetzen und schleichen sich nachts heimlich raus, um ihr Hauptquartier zu bewachen. Genau in dieser Nacht werfen Gus und Jeff einen Molotow-Cocktail in das Baumhaus, das sie für leer halten. Bei dem Brand kommt Rudy ums Leben, Leonard wird verletzt. Die beiden Angreifer müssen in den Jugendknast, doch auch für die Freunde draußen wird die Tat zu einem einschneidenden Erlebnis: Jacob schwört Rache für seinen Bruder, der übergewichtige Leonard will abnehmen und Sport treiben und Malee verliebt sich und versucht sich als Verführerin.

Das sagt shitesite:

Es ist bezeichnend, wie Regisseur Michael Cuesta den Wendepunkt in Das Ende der Unschuld inszeniert: Der grausame Tod von Rudy wird für die drei Freunde zu dem Moment, in dem sie auf denkbar ruppige Weise ins Erwachsenenleben gestoßen werden. Aber Jacob, Leonard und Malee interpretieren das auf eine aktive Weise: Das Feuer im Baumhaus und der Verlust ihres Bruders/Freundes lähmt sie nicht, sondern wird zum Ansporn. Es gibt in diesem Film keinen erhobenen Zeigefinger und erst recht nicht den Anspruch, im Sinne des klassischen Jugendkinos eine Moral zu transportieren. Die Zwölfjährigen sind hier keine Opfer, sondern Menschen, die versuchen – auch unter tragischen Bedingungen – ihr Leben zu gestalten.

Der Reiz von Das Ende der Unschuld besteht im Kontrast zwischen dieser Motivation inklusive der großen Emotionen, die dahinter stecken, und den unzureichenden Mitteln, die den Zwölfjährigen zur Verfügung stehen. Jeder von ihnen findet seine eigene Strategie für den Umgang mit der Trauer. Doch bezeichnenderweise ist es jeweils der eigene Körper, der dabei im Brennpunkt und einer Verwirklichung der Strategie im Wege steht. Es ist dieser Körper, der den Figuren ihre Unzulänglichkeit und die Diskrepanz zwischen biologischem und emotionalem Alter vor Augen führt.

Jacob hat ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Bruder nicht zu der fatalen Nachtwache im Baumhaus begleitet hat, und er ist wütend, weil Gus und Jeff mit einer kurzen Haftstrafe davongekommen sind. Er möchte die Täter selbst bestrafen, am liebsten körperlich züchtigen, aber er ist nicht stark genug dafür. So bleibt ihm nur, Gus und Jeff regelmäßig im Gefängnis zu besuchen und ihnen durch eine Glasscheibe zu schildern, welchen Torturen er sie aussetzen wird, wenn sie irgendwann wieder auf freiem Fuß sind.

Für Leonard wird der Brand ebenfalls zum Erweckungserlebnis: Er verliert durch einen Sturz seinen Geruchs- und Geschmackssinn, was dazu führt, dass er keine Lust mehr auf die kalorienreiche Ernährung seiner durchweg übergewichtigen Familie hat. Er will lieber Äpfel essen und Sport treiben, und bringt damit seine Eltern und Geschwister gegen sich auf. Malee, die altkluge Tochter einer alleinerziehenden Psychiaterin, verliebt sich in den Patienten ihrer Mutter und verwandelt sich von der strebsamen Schülerin in eine extrovertierte Lolita, die aber erkennen muss, dass sie von ihrem Angebeteten einfach nicht als Frau wahrgenommen wird.

Für alle drei gilt nach dem Tod von Rudy: Sie haben die Probleme von Erwachsenen, aber nur die Mittel von Kindern – und sie stecken damit fest in der Gefühlswelt von Teenagern, die sie vom Alter her noch nicht einmal sind. Das Ende der Unschuld macht daraus ein sehr sensibles, atmosphärisch ungemein stimmiges und exzellent gespieltes Drama, in dem es erstaunliche Momente schwarzen Humors gibt, vor allem aber riesige Mengen von Empathie.

Bestes Zitat:

“How evil can you be?”

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=uNgklDlzFxQ

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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