Draufgeschaut: Stille

Talkmaster Harry Kliewer (Jan Fedder) hat genug vom Fernsehen.
Talkmaster Harry Kliewer (Jan Fedder) hat genug vom Fernsehen.
Film Stille
Produktionsland Österreich/Deutschland
Jahr 2013
Spielzeit 90 Minuten
Regie Xaver Schwarzenberger
Hauptdarsteller Jan Fedder, Iris Berben, Florian Bartholomäi, Anna Fischer, Leslie Malton
Bewertung

Worum geht’s?

Als Moderator einer Late-Night-Show ist Harry Kliewer ebenso beliebt wie gefürchtet. Als er einen mächtigen Banker, der sonst keine Interviews gibt, in seine Sendung locken kann und ihn dann vor laufenden Kameras demontiert, ist das ein weiterer Höhepunkt seiner Laufbahn. Doch während die Kritiker ihn tags darauf feiern, will der Star nichts mehr vom Fernsehgeschäft wissen. Er zieht sich zurück auf eine Berghütte, von der ihm seine Tochter einst eine Postkarte geschickt hatte. Denn bei allem beruflichen Erfolg gibt es eine Menge, womit der egonzentrische Star ins Reine kommen muss: die konfliktreiche Beziehung mit seiner Produzentin und Lebensgefährtin Amanda, das Enthüllungsbuch seines Sohnes Alex, in dem der Vater keineswegs gut wegkommt, und nicht zuletzt den Tod seiner Tochter, die nie richtig zu ihm durchdringen konnte und dann bei einem Autounfall ums Leben kam.

Das sagt shitesite:

Keine Frage: Stille hätte das Potenzial zu einem richtig gelungenen Film gehabt. Die Schauspieler sind gut, Jan Fedder gefällt sich sichtlich in der Rolle des Kotzbrockens (“Gierig, geil und geltungssüchtig – mein Vater vereinte alle drei großen G des Showbiz in sich”, wird er von seinem Sohn charakterisiert), Iris Berben passt wunderbar zur Rolle seiner Lebensgefährtin, die jeden Betrug erträgt, weil sie weiß, dass es dann und wann auch noch Momente großer Leidenschaft in dieser Beziehung gibt. Auch die Form ist originell: Der Zuschauer hört abwechselnd Passagen aus dem Buch von Alex aus dem Off, dazwischen schreitet die Handlung voran, unterbrochen von Rückblenden auf das gemeinsame Leben der Familie.

Nicht zuletzt ist auch die Thematik des Films reizvoll: Stille blickt nicht nur hinter die Kulissen des Fernsehgeschäfts, sondern beschäftigt sich letztlich mit der Wirkung von Ruhm insgesamt. Harry Kliewer vernachlässigt seine Familie, aber er brennt für seinen Job. Er glaubt, dass er Publikum und Quoten, sein Team und die Journaille in der Hand hat, aber schnell merkt der Zuschauer, dass er eher ein Getriebener ist, süchtig nach Aufmerksamkeit und Popularität. Er zieht einen Schlussstrich unter seine Karriere ausgerechnet in dem Moment, als er das Routinierte, Seichte, Oberflächliche gegen das eintauscht, wonach er heimlich strebt: Engagement, Relevanz, Journalismus.

Doch dann wird Stille leider keine intelligente Betrachtung der Medienwelt und auch kein überzeugendes Psychogramm eines Egomanen. Stattdessen gibt es reichlich platte Konflikte und durchweg einen erstaunlichen Mangel an Differenzierung. Fast alle Figuren sind arm an Facetten und überzeichnet, damit fehlt ihnen nicht nur Tiefe, sondern auch Glaubwürdigkeit.

Letztlich passt auch der Titel des Films dazu: Dass Harry Kliewer auf der Berghütte nicht nur Ruhe und Kontemplation sucht, sondern Läuterung, liegt auf der Hand, wird aber noch einmal extra betont. In der Abgeschiedenheit bleiben ihm nur seine Selbstgespräche und seine Schuldgefühle, aber er bleibt ein Gefangener seiner Ambitionen, auch wenn rundum kein Applaus mehr aufbrandet, sondern Stille herrscht – diese Pointe ist ziemlich platt.

Manchmal würde man sich in der Tat mehr Stille wünschen, denn allzu viel in diesem Film wird ausgesprochen. Das gilt auch für die anderen Familienmitglieder, die ebenfalls nach einem aufmerksamen Publikum lechzen, auch wenn es insbesondere für die Kinder Alex und Angela nur aus einer Person besteht, nämlich Harry. Die emotionale Härte der Dialoge ist manchmal kaum zu ertragen, in etlichen Szenen wäre es aber gar nicht nötig gewesen, die Verbitterung so explizit zu machen. Der Konflikt dieses Films würde große Gefühle tragen und auch das Ensemble wäre in der Lage, diese zu transportieren, aber ganz oft ist Stille einfach ein gutes Stück over the top.

Bestes Zitat:

“Talkshows ersetzen die Realität durch flotte Sprüche, damit der Mensch weiter in Ruhe fressen und scheißen kann.”

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=ST0DNCE3PBM

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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