DZ Deathrays – “Positive Rising: Part 1”

Künstler DZ Deathrays

DZ Deathrays Positive Rising: Part 1 Review Kritik
In Los Angeles haben DZ Deathrays “Positive Rising: Part 1” aufgenommen.
Album Positive Rising: Part 1
Label Alcopop Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Barry Nicholson hat 2012 eine Show der DZ Deathrays in Glasgow erlebt. Er war begeistert und stellte für seine Konzertkritik im NME abschließend die Frage: „In einem Zeitalter, in dem angeblich jede Band nach künstlerischer Weiterentwicklung streben muss, dürften wir darum bitten, dass DZ Deathrays genau so bleiben, wie sie sind?“ Jeder Musikfan kennt diesen Gedanken, wenn er eine Band in ihrer Sturm-und-Drang-Phase entdeckt und sich dann wünscht, sie möge niemals erwachsen werden. Für DZ Deathrays hat dieses Konzept bestens funktioniert: Mit reichlich Euphorie und Partylaune haben sie viele Fans gewonnen, bis zum 2018 erschienenen Bloody Lovely, ihrem dritten Album, als bisherigem Höhepunkt.

Der fromme Wunsch von Barry Nicholson wird nun mit Positive Rising: Part 1 leider pulverisiert. Schon der Titel zeigt: Die Australier haben ein Doppelalbum im Sinn. Teil zwei soll Ende 2019 aufgenommen werden, wieder in Los Angeles mit Miro Mackie, der auch hier hinter den Reglern saß und zuvor etwa mit I Heart Hiroshima, St. Vincent oder Dirty Projectors gearbeitet hat. „Die Entscheidung dazu war einfach“, sagt Simon Ridley. „Viele von unseren Lieblingsbands sind nach L.A. gegangen, um dort aufzunehmen. Und Miro kennen wir schon seit dem College. Wir lieben die Sachen, die er gemacht hat.“

Gemeinsam mit seinem Kompagnon Shane Parsons hat er noch mehr Neuerungen im Sinn, die zu diesen Ambitionen passen: In den bisherigen zehn Jahren von DZ Deathrays galt stets, dass die beiden nichts aufnehmen, was sie nicht auch live zu zweit reproduzieren können. Auf Positive Rising: Part 1 weichen sie von diesem Prinzip ab, zudem ist nun Lachlan Ewbank als festes Mitglied dabei. „Er bringt Elemente ein, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Außerdem kann ich mich jetzt etwas besser aufs Singen konzentrieren“, sagt Shane Parsons. Der Neuankömmling selbst berichtet, er habe sich mit dem Bandkollegen immer wieder Riffs und Textideen per Messenger geschickt. „Es war großartig, in diesen Prozess eingebunden zu sein und zu sehen, wie viel Arbeit in so einer DZ-Deathrays-Platte steckt“, sagt Lachlan Ewbank.

In den ersten paar Takten des Albums sind diese neuen Möglichkeiten, Ideen und Ziele unüberhörbar. Man könnte bei Hi Everyone zunächst sogar glauben, Barry Nicholsons schlimmster Albtraum sei wahr geworden: DZ Deathrays sind erwachsen geworden. Der Song nimmt viel Anlauf bis zu den Wörtern „Hi, everyone“, setzt auf Stimmung und Sound. Dann ist aber bald der Kern der Band aus Brisbane wieder zu erkennen: Das Stück wird nach und nach immer wilder, jugendlicher, unvernünftiger. Die Single IN-TO-IT setzt noch stärker auf diese Karte. „What the hell is in my head / keep feeling like I’m dead / and I’m into it”, lautet die Ausgangssituation, und daraus wird die mitreißende und mit großer Überzeugungskraft vorgetragene Idee, einfach alle Warnungen in den Wind zu schlagen.

Auch jenseits davon gibt es genug Belege dafür, dass Fans der ersten Stunde hier nicht um lieb gewonnene Qualitäten bangen müssen: Still No Change klingt vom ersten Ton an nach Spaß und Ungestüm, Nightmare Wrecker entfaltet eine ungeheure Wucht, Year Of The Dog (mit einem markerweichenden Schrei, den Matt Caughthran von The Bronx beisteuert) wird dreckig, einfallsreich und der härteste Moment auf Positive Rising: Part 1. Zeilen wie „I got my heart in this“, „There’s no time to waste“ oder „Better make it count“ lassen im von einer Fuzz-Gitarre angetriebenen Snakes keinen Zweifel an der weiterhin absoluten Entschlossenheit bei DZ Deathrays, die wieder im selben Haus in Yass (New South Wales) an der Verfeinerung ihrer Songs gearbeitet haben wie schon beim Vorgänger, nach der Methode „im Prinzip bloß herumzusitzen und Doom-Rock-Riffs zu schreiben“, wie Simon Ridley sagt.

Neben dem dritten Bandmitglied und einigen Gästen (etwa Kirsty Tickle alias Exhibitionist, die ein Saxofon beisteuert) gab es aber auch Änderungen in der Arbeitsweise, für die vor allem der Produzent verantwortlich war. „Miro hat eine ziemlich einzigartige Herangehensweise. Erstens ist er selbst ein umwerfender Songwriter, sodass er beinahe unbewusst dabei geholfen hat, den Dingen die richtige Form zu geben und sie zu erweitern“, sagt Simon Ridley. „Zweitens hat er einen ziemlich strikten Zeitplan. Wir haben beispielsweise fast nichts nach 22 Uhr aufgenommen. Früher waren wir oft bis in die frühen Morgenstunden im Studio. Miro hat stattdessen gesagt: Lass uns eine Nacht drüber schlafen und das morgen noch einmal neu betrachten. Auf diese Weise immer wieder etwas Abstand zu gewinnen, hat den Songs sehr gut getan.“

Hypercolour ist eines der Stücke, denen man die erweiterten Möglichkeiten am deutlichsten anhört, es gibt Quasi-Sprechgesang und etliche Soundspielereien. A Lot To Lose vereint die alten und neuen Stärken bei DZ Deathrays, es ist enorm heavy, aber vor allem im Refrain weit von plump entfernt. Auch auf Silver Lining trifft das zu: Es kommt mal filigran daher, mal mit voller Breitseite – man kann dabei an Ash denken, auch weil das Ergebnis so kurzweilig ist und man trotz des Einsatzes beispielsweise einer Orgel keinen Moment die Rock’N’Roll-DNA verkennen kann, die darin steckt.

„Die Tasteninstrumente, die Synthesizer, all der Kram: Wir haben uns wirklich wohl dabei gefühlt, all das zu integrieren, weil wir jetzt Lachlan haben, der uns dabei hilft, solche Sachen zu spielen“, sagt Simon Ridley, der auch selbst das beste Fazit für Positive Rising: Part 1 liefert: „Bei den letzten paar Alben wollten wir vor allem Kracher schreiben. Diesmal erweitern wir diesen Ansatz: Es ist immer noch eine Rockplatte, die dich in den Arsch tritt. Aber sie wagt auch ein paar Experimente. Am Anfang waren das bloß Doom-Rock-Riffs, die wir in einem spukigen Haus gespielt haben. Jetzt hat es sich zu etwas ganz anderem entwickelt.“

Keine Angst: Im Video zu Snakes sind keine Schlangen zu sehen.

Demnächst gibt es sieben Chancen, DZ Deathrays live bei uns zu erleben:

19.09.19 – Berlin – Privatclub

24.09.19 – Stuttgart – Goldmarks

20.09.19 – Hamburg – Reeperbahn Festival

25.09.19 – Frankfurt – Nachtleben

21.09.19 – Hamburg – Reeperbahn Festival

22.09.19 – Köln – Blue Shell

23.09.19 – München – Feierwerk-Kranhalle

Website von DZ Deathrays.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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