Elvis Review Kritik

Elvis

Film Elvis

Elvis Review Kritik
Elvis Presley (Austin Butler) hat eine enge Beziehung zu seinem Manager.
Produktionsland USA, Australien
Jahr 2022
Spielzeit 159 Minuten
Regie Baz Luhrmann
Hauptdarsteller*innen Austin Butler, Tom Hanks, Helen Thomson, Richard Roxburgh, Olivia DeJonge, Luke Bracey, Chaydon Jay
Bewertung

Worum geht’s?

1955 gibt Elvis Presley, damals noch ein unbekannter Truckfahrer aus Mississippi, eines seiner ersten Konzerte. Im Publikum ist Tom Parker, der sich “Colonel” nennt und sich mit einigen Musikern, vor allem aber verschiedenen Jahrmarktsattraktionen in der Veranstaltungsbranche nach oben arbeiten will. Er erkennt, wie enorm die Wirkung ist, die der junge Mann auf der Bühne auf das (vor allem) weibliche Publikum hat und nimmt ihn unter Vertrag. Daraus entsteht eine Geschäftsbeziehung und Parnerschaft, die mehr als zwanzig Jahre halten wird, bis zum Tod von Elvis Presley. Es ist keineswegs eine Beziehung auf Augenhöhe: Der zwielichtige Parker sichert sich nicht nur einen unüblich großen Teil des Geldes, das er mit seinem Schützling verdient, sondern manipuliert diesen auch. Im Film vermittelt “Colonel” Tom Parker im Rückblick vom Sterbebett seinen Blick auf Aufstieg und Fall des “King Of Rock’N’Roll”, der bis heute rund eine Milliarde Platten verkauft hat. Die Lebensgeschichte von Elvis Presley wird nachgezeichnet, von der prekären Herkunft, der innigen Liebe zu seiner Mutter und dem Trauma des bei der Geburt gestorbenen Zwillingsbruders über seine Unsicherheit, Träume und Leidenschaft für Rhythm And Blues, Gospel und Country als Heranwachsender und junger Mann bis zur Einsamkeit abseits der Bühne, den Schauspiel-Abitionen, der Medikamentensucht, der Militärzeit in Deutschland und der kaputten Ehe mit Priscilla. Der Manager hat offensichtlich das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen und einige Punkte aus seiner Sicht gerade zu rücken. Er sagt: “Ich habe Elvis nicht umgebracht. Ich habe ihn erschaffen.”

Das sagt shitesite:

Baz Luhrmanns Film über den erfolgreichsten Solo-Künstler aller Zeiten hat einige nicht unbeträchtliche Schwächen. Zunächst ist da die Form. Natürlich kennt man den Regisseur spätestens seit Moulin Rouge als Meister von Revue und Overkill, Rausch und Glamour. Auf diese Mittel setzt er auch hier, zumindest im fast zappelig wirkenden, schwindlig machenden ersten Drittel des Films. Dann gibt es einen Bruch, der die Titelfigur introvertierter und kritischer zeigen soll. Allerdings entsteht auch dabei kein Tiefgang, weil fast pflichtschuldig die wichtigsten Karrierestationen abgearbeitet werden. So wie Elvis Presley hier auf der Leinwand sein wahres Wesen sucht, so scheint der Film selbst einen passenden Charakter für seinen Plot und seinen zentralen Konflikt zu suchen.

Auch innerhalb dieses Konflikts werden einige Möglichkeiten verschenkt, schließlich wurde der Kampf zwischen Kunst und Kommerz, zwischen Integrität und Anbiederung, zwischen Loyalität und Ausbeutung zu einem Muster in der Popgeschichte, auch in unzähligen Beispielen nach Elvis. Denn natürlich geht es auch in dieser Partnerschaft nicht nur um eine persönliche Ebene, mit geheuchelter Fürsorge und dem Kampf um Anerkennung und Emanzipation, sondern auch um Macht und Kapital. So schwierig es ist, Strukturen im Kino aufzuzeigen (und so wenig Luhrmann dafür wohl auch der geeignete Kandidat wäre), so sehr hätte dieses Paradebeispiel dafür getaugt,  diesen Zwiespalt weitaus genauer zu beleuchten, gerade durch den Umstand, dass hier die Perspektive des Managers eingenommen wird.

Tatsächlich braucht ein noch so großes Talent immer auch die richtige Förderung, das passende Netzwerk und das richtige Timing, um erfolgreich zu sein. Womöglich wäre Elvis Presley ohne die Begegnung mit Parker nur eine lokale Größe geblieben. Wenn der Manager zu Beginn des Films “Mir verdankt die Welt Elvis Presley” behauptet, ist das sicher anmaßend. Aber es dürfte auch klar sein, dass selbst ein solch ehrgeiziger und begnadeter Sänger niemals den Weg vom armen, dürren Jungen aus der Provinz hin zum global gefeierten Phänomen genommen hätte, wäre da nicht auch ein Strippenzieher mit dem nötigen Mut, der nötigen Erfahrung und der nötigen Skrupellosigkeit an seiner Seite gewesen. Man darf durchaus die These diskutieren: Hätte der “Colonel” nicht Elvis zu einem Superstar gemacht, wäre der Rock’N’Roll vielleicht nur eine kurzlebige, schwarze Jugendmode geblieben wie der Mashed Potato oder der Twist.

Aber so sehr dieser Manager den sagenhaften Aufstieg dieses Künstlers ermöglicht hat, so sehr hat er ihm eben auch jegliche Kontrolle über die eigene Karriere und jeglichen Spielraum für kreative Autonomie genommen. Der “Colonel” hat, das räumt er hier selbst ein, keinerlei Verständnis für Kunst. Er sieht den Sänger als Zirkusattraktion, und natürlich ist er damit die perfekte Verkörperung all dessen, was aufstrebende Talente später so gerne an der Musikindustrie verteufelt haben. Dass Elvis nicht nur darunter litt, sich nicht frei entfalten zu können, sondern dass in der Bevormundung durch den “Colonel” letztlich die Botschaft steckte, dass er dem Instinkt seines Künstlers nicht vertraute, hätte eine ganz eigene, reizvolle Facette dieses Films werden können. Auch dramaturgisch hätte hier ein Schlüssel für mehr Fokus liegen können, etwa durch noch mehr Konzentration auf die wenigen Momente der Rebellion von Elvis Presley gegen den “Colonel” wie beim legendären ’68 Comeback Special.

Nicht zuletzt ist Elvis, was freilich für die meisten Biopics gilt, beschönigend. Die teils sehr konservativen Ansichten von Elvis, sein Anbandeln mit einer 14-Jährigen, sein herrischer Umgang mit seiner Entourage – all dies und noch mehr wird hier zugunsten einer schillernden Bonbon-Ästhetik ausgelassen. Dafür gelingt Luhrmann ein sehr eleganter Umgang mit dem Thema “kulturelle Aneignung” (gut aussehender Weißer singt schwarze Musik und bringt sie in den Mainstream). Er zeigt, wie tief die Bewunderung von Elvis Presley für schwarze Musik war, wie groß sein Respekt vor den Leuten, die ihn beeinflusst haben, zeitlebens blieb, und auch, wie viele Türen sein Crossover für die eigentlichen Pioniere des Rock’N’Roll und für schwarze Musik insgesamt geöffnet hat. Es geht hier um die Sache (also die Musik), nicht um Identitätspolitik. Auch im sehr guten, spannenden und modernen Soundtrack, an dem Künstler*innen wie CeeLo Green und Yola beteiligt waren, spiegelt sich das.

Die größte Stärke von Elvis entsteht ebenfalls durch diesen Schwerpunkt auf die Musik, nicht unbedingt im Hinblick auf ihre Nachwirkung, sondern auf die Schockeffekte, die sie bei den Zeitgenoss*innen auslöste. Elvis Presley war ein Asteroid, der in die Musiklandschaft, das Spießertum und die Rassentrennung einschlug. “Damals hatte Heartbreak Hotel den gleichen Effekt auf mich, als wenn ein nackter Außerirdischer zur Tür hereinmarschiert gekommen wäre und mir verkündet hätte, er wolle bei mir bleiben bis ans Ende meiner Tage. (…) Heartbreak Hotel hatte etwas Furchteinflößendes, etwas unzüchtig Animalisches, etwas, das ernsthaft außer Kontrolle geraten war“, erinnerte sich beispielsweise der legendäre britische DJ John Peel in seiner Autobiographie an seine erste Begegnung mit dem Sound von Elvis. Luhrmann schafft es tatsächlich, diesen Moment von Überwältigung, Atemlosigkeit und Erweckung nachzuzeichnen. So sehr wir heute überall von Freizügigkeit, Provokation und Selbstdarstellung umgeben sind: Wie aufwühlend, nicht zuletzt hormonell, der Anblick des tanzenden, schmachtenden und flirtenden Elvis für die Teenager*innen der 1950er Jahre gewesen sein muss, kann man hier erstaunlicherweise wirklich erahnen, und daran hat auch der sehr gute Hauptdarsteller Austin Butler erheblichen Anteil, der vor allem die Körpersprache des “King of Rock’N’Roll” perfekt trifft.

Bestes Zitat:

“Es spielt keine Rolle, wenn du zehn dumme Sachen machst. Hauptsache, du machst eine kluge.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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