Erasure – “The Neon Remixed”

Künstler*in Erasure

Erasure The Neon Remixed Review Kritik
Erasure haben ihr jüngstes Album in fremde Hände gegeben.
Album The Neon Remixed
Label Mute
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Den zweiten Frühling hatte man Erasure ja schon vor kanpp 20 Jahren attestiert. Damals veröffentlichten Andy Bell und Vince Clarke ihre Abba-Esque-EP und räumten international ab, genau so, wie sie es seit Gründung ihrer Band im Jahr 1985 gewohnt waren. The Neon muss für das Duo aus London also so etwas wie der dritte Frühling gewesen sein. Denn das im vergangenen Jahr veröffentlichte Album brachte ihnen nicht nur erstmals seit den 1990er Jahren wieder eine Top-10-Platzierung ein, sondern auch viel Lob von Fans und Kritikern.

Die Freude darüber scheint so groß gewesen zu sein, dass es nun mit The Neon Remixed ein Spin-Off gibt, das nicht nach einem weiteren Ausschlachten des Erfolgs klingt, sondern wie ein Zeichen kreativen Wagemuts. So zeigt der Hifi Sean Remix von Hey Now (Think I Got A Feeling), wie viel Punch, Präsenz und Modernität das jüngste Material von Erasure haben kann. Fallen Angel hat im Saint Remix reichlich Muskeln bekommen, und mit denen scheint es sich schleunigst in einem House-Club austoben zu wollen. Auch Careful What I Try To Do bekommt in der Neubearbeitung als Brixxtone Extended Remix einen Energie-Boost und zusätzliche Dringlichkeit.

Bei insgesamt 17 vertretenen Remixes ist natürlich nicht alles ein Volltreffer. Einige Tracks werden nur solide, und dass gleich siebenmal auf diesem Album die 6-Minuten-Grenze überschritten wird, hätte auch nicht unbedingt sein müssen. Das zeigt zum Beispiel Tower Of Love als BSB’s Stella Polaris Remix: Es gibt ein paar gute Ideen für den Spannungsbogen, aber die tragen nicht für achteinhalb Minuten. Auch der GRN Extended Remix von Shot A Satellite ist deutlich reduzierter als das Original, was sich als keine allzu gute Idee erweist. New Horizons klingt im Matt Pop Extended Remix etwas arg schwülstig. Leider wird auch Kid You’re Not Alone in der Bearbeitung von Paul Humphreys (OMD) kein Highlight, stattdessen bringt dieses Aufeinandertreffen von zwei Giganten des Eighties-Elektropops eher hübsch-unspektakuläre Ergebnisse.

Dafür entschädigt The Neon Remixed aber mit vielen interessanten Ideen und einigen richtigen Überraschungen. Der Beat in No Point In Tripping (John ‘J-C’ Carr & Bill Coleman 808 BEACH Extended Remix) wird fast unbarmherzig und spielt kurz auf New Orders Blue Monday an, derselbe Song klingt als Can Love Be Synth Remix hingegen plötzlich wie aus den frühen 1980ern und stellt zugleich den Gesang mehr in den Mittelpunkt. Der Brixxtone Synthwave Dub konzentiert Careful What I Try To Do aufs Wesentliche, der luftige Gareth Jones’ ElectroGenetic Terabyte Of Love Mix von Nerves Of Steel wirft die Frage auf, ob es so etwas wie eine Industrial-Ballade geben kann. Auch Kim Ann Foxman’s Heaven Mix von Secrets ist mit vergleichsweise viel Freigeist und Eigenleistung unterwegs.

Wer jetzt aufgepasst hat, wird zurecht anmerken: Secrets? Ein Lied dieses Namens gibt es doch gar nicht auf The Neon! Das stimmt, aber Erasure haben ihr Remix-Album auch um einen eigenen neuen Song angereichert und dann ebenfalls gleich zur Neubearbeitung freigegeben. Secrets erzählt mit einer quicklebendig klingenden Synthesizer-Sequenz und einem putzigen Background-Chor von der Eifersucht (man könnte beinahe sagen: aus einer Stalker-Perspektive), und dieses Thema ist natürlich nicht zum ersten Mal der perfekte Treibstoff für einen guten Popsong. Man kann über den neuen Track durchaus das sagen, was Metro vor einem Jahr über The Neon angemerkt hat: “A record this vibrant, after this long, deserves more than a little respect.”

Das Lyric Video zum neuen Song Secrets.

Im Oktober sind Erasure in Deutschland auf Tour:

21.10.2021 Frankfurt, Jahrhunderthalle
22.10.2021 Berlin, Max-Schmeling-Halle
24.10.2021 Köln, Palladium
26.10.2021 Hamburg, Barclaycard Arena
28.10.2021 Leipzig, Immobilien Arena

Website von Erasure.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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