Frankie Cosmos – “Close It Quietly”

Künstler Frankie Cosmos

Close It Quietly Frankie Cosmos Review Kritik
21 Lieder packen Frankie Cosmos in die 40 Minuten von “Close It Quietly”.
Album Close It Quietly
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

A Joke heißt das fünfte Lied auf dieser Platte. Es ist nur eines von 21 Stücken, das Frankie Cosmos in die 40 Minuten Spielzeit von Close It Quietly packen. Aber es enthält vielleicht die Zeilen, die zentral sind für das Verständnis dieser Band aus New York: „Flowers don’t grow in an organized way / why should I?“ Frontfrau Greta Kline betont mit diesem Vergleich nicht nur ihre Unabhängigkeit und Individualität. Sie deutet auch an, dass sich Frankie Cosmos für ihr viertes Studioalbum einige Freiheiten genommen haben.

In besagtem Song bildet das prominente Schlagzeug von Luke Pyenson einen reizvollen Kontrast zur Zerbrechlichkeit, die sonst bei dieser Band so unverkennbar ist und weiterhin vor allem durch die zuckersüße Stimme von Greta Kline erzeugt wird. Ein Lied wie I’m It würde perfekt zu Stella Donnelly passen, auch wegen des in diesem Fall etwas bratzigen Gitarrensounds. Actin‘ Weird findet trotz der Verwirrung in den Zeilen „I don’t know how to feel / everybody’s acting weird“ einen beachtlichen Groove, in So Blue klingen die Verse „I am so blue / I make everyone else blue“ nicht bemitleidenswert, sondern bedrohlich. Last Season’s Textures überrascht mit hohem Tempo, sogar Drive. Das Lied handelt, so Greta Kline, „zum Teil von Frauenfeindlichkeit und internalisierter Frauenfeindlichkeit, von Momenten, in denen ich mich betrogen gefühlt habe, obwohl ich mich eigentlich in Sicherheit fühlte“.

Solche vermeintlich kleinen Widersprüche und Überraschungen, die sich aber existenziell erschütternd anfühlen können, tauchen auf Close It Quietly immer wieder auf. Am deutlichsten ist das ganz am Ende der Platte im recht schwungvollen This Swirling. „I will die trying / I will die cyring / I will cry dying / I will try crying / I will cry trying“, lautet darin das Mantra. „I want it so bad / I hate it so much“, heißt es in UFO. Den Worten With Great Purpose folgt im gleichnamigen Song als nächste Zeile: „I get nervous.“ Erstmals versucht darin auch die Musik, mit akustischer Gitarre und Klavier eine Beschaulichkeit zu evozieren, die der Gesang scheinbar die ganze Zeit vermitteln zu versucht.

Die Stimme von Greta Kline wird auch diesmal zum dominierenden Element bei Frankie Cosmos. In Marbles ist die Gitarre so zurückhaltend, dass es auch gleich acappella sein könnte, A Hit verzichtet dann tatsächlich komplett auf Instrumente. Wannago ist vielleicht das beste Lied dieses Albums, kompakt, kernig und klasse – auch wenn der Gesang wie eine Seifenblase im Kontrast dazu zu stehen scheint. In Did You Find stellt die schöne Gitarrenmelodie ausnahmsweise die Stimme in den Schatten. Bei Windows hingegen darf eine ähnlich wundervolle Melodie besonders hell strahlen, weil der Gesang in einigen Passagen fast ganz alleine steht. Gleich in mehreren Liedern ist der seltsame Effekt zu beobachten, dass der Gesang nicht kräftiger wird, wenn eine zweite Stimme hinzu kommt, sondern noch fragiler wirkt.

„Egal, was wir machen – es wird immer nach Frankie Cosmos klingen, weil Greta so eine einmalige Stimme hat. Das gibt uns eine große Freiheit, mit den Instrumenten drumherum zu experimentieren, und diesmal haben wir davon wirklich Gebrauch gemacht“, sagt Schlagzeuger Luke Pyenson über das in Brooklyn mit Co-Produzent Gabe Wax aufgenommene Album. In Even Though I Knew darf er sich austoben, denn die Drums könnten aus einem Punksong stammen. Lauren Martin (Keyboards) und Alex Bailey (Bass) haben großen Anteil am Gelingen von Never Would und seiner eher getragenen Atmosphäre.

Dass es so viele so knappe Tracks gibt (darunter auch Rings On A Tree, das in anderer Form schon auf dem Soloalbum von Greta Kline zu hören war), ist vielleicht der deutlichste Beweis dafür, wie sehr ihnen die Musik in Fleisch und Blut übergegangen ist: Jede Begegnung, jede Anekdote, jeder Traum, jede Fantasie, jede Sorge und jede Enttäuschung können hier Ausgangspunkt für ein Lied werden. Deshalb sind die Stücke auf Close It Quietly so vermeintlich beiläufig, in Summe aber umso intimer.

Cosmic Shop konzentriert diesen Effekt innerhalb von nicht einmal 2 Minuten. Der Song ist sehr klar und verzichtet praktisch komplett auf Effekte, der Sound aus dem Gitarrenverstärker ist ebenso unverstellt zu erkennen wie die Besonderheit des Schlagzeugbeats. Genau wegen dieser Transparenz wird das Lied so wirkungsvoll. Moonsea ist ebenfalls typisch für Close It Quietly, denn es ist niedlich, hat aber auch sehr kraftvolle Passagen. Die Entsprechung dafür im Text: „Pancakes on a stove“ wird zum Reim auf „Rock and roll.“ Das muss man auch erst einmal hinbekommen. 41st schließlich ist so etwas wie eine Fortsetzung des Credos aus A Joke: Das Lied strahlt Gelassenheit und Stolz aus, trotz der Verwirrung und Unsicherheit, die ebenfalls unverkennbar darin stecken. Gespeist wird das wohl aus der Erkenntnis: Ich bin halt so, und eigentlich ist das eine ziemlich gute Sache.

Für das Video zu Wannago bekommen Frankie Cosmos ihre eigene Kochshow.

Zwei Konzerte von Frankie Cosmos gibt es bald in Deutschland.

08.10.2019 München, Heppel & Ettlich

11.10.2019 Köln, MTC

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.