Gut zu Vögeln Filmkritik

Gut zu Vögeln

Film Gut zu Vögeln

Gut zu Vögeln Filmkritik
Simon (Max Giermann, links) lässt Jacob (Max von Thun) allein in der WG zurück.
Produktionsland Deutschland
Jahr 2016
Spielzeit 92 Minuten
Regie Mira Thiel
Hauptdarsteller*innen Anja Knauer, Max von Thun, Max Giermann, Katharina Schlothauer, Samy Challah, Ulrich Gebauer, Kai Wiesinger, Christian Tramitz, Oliver Kalkofe, Sonja Kirchberger, Joyce Ilg, Nora Tschirner
Bewertung

Worum geht’s?

Tillmann sagt zwei Wochen vor dem geplanten Termin seine Hochzeit ab, per SMS. Seine Braut, die Boulevard-Reporterin Merlin, stürzt das in eine tiefe Krise. “Mein Herz ist gebrochen. Mein ganzes Leben ist ein Trümmerhaufen”, muss sie feststellen. Weil aus dem Zusammenleben mit Tillmann nun nichts wird, zieht sie in eine WG ein, wo sie ihren Bruder Simon ersetzt, der beschlossen hat, dass das Leben voller Kumpels und Partys nun vorbei ist und mit seiner Freundin zusammenzieht. In der WG hatte er für viele Jahre gelebt mit seinem besten Freund Jacob, einem unreifen Barkeeper, und dem Türken Nuri, der seiner Familie verheimlicht, dass er schwul ist. Die beiden hätten das freie Zimmer lieber anders besetzt, haben aber keine geeigneten Kandidat*innen gefunden. Insbesondere Jacob ist nicht begeistert, denn er konnte Merlin schon als Kind nicht leiden. Als sie aber wochenlang in ihrem Liebeskummer versinkt, will er ihr doch zur Seite stehen. Seine Empfehlung lautet: Sie soll möglichst viele Männer daten, möglichst viele Flirts und möglichst viele “Trostficks” haben, um über die Trennung hinwegzukommen. Einmal bietet er sich dafür auch selbst an, und tatsächlich kommt Merlin zumindest ein Stück aus ihrem Jammertal heraus und die neue WG findet ein funktionierendes Miteinander. Als Jacob und Nuri einen Spaß-Trip nach Mallorca planen und sich Merlin ebenfalls dazu gesellt,  stürzt aber alles in Chaos. Nicht zuletzt, weil auch Simon und seine hochschwangere Freundin nachreisen, für die der Ballermann nicht gerade das ideale Umfeld ist.

Das sagt shitesite:

Mira Thiel, die hier ihr Kinodebüt gibt und vorher Musikvideos und Dokumentationen gedreht hat, siedelt Gut zu Vögeln dort an, wo Soziolog*innen heute von der “Rush Hour des Lebens” sprechen. Ihre Protagonist*innen sind Anfang 30, es stehen erste Karriereschritte und meist auch parallel die Familiengründung an. Nach den beschaulichen und/oder amüsanten Jahren im “Hotel Mama” und/oder der Student*innen-WG gilt es nun, tatsächlich erwachsen zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen. Sehr offensichtlich will sie ihren Film entsprechend modern halten und das Geschehen dort ansiedeln, wo sie ihre Zielgruppe ideal abholen kann. So gibt es Referenzen auf Facebook, What’s App, Computerspiele und Online-Dating, ebenso stehen die ersten schweren Aufgaben im Job an, von denen man sich idealerweise per Yoga erholt, wie es Nido nicht besser hätten empfehlen können.

Das größte Problem ihrer romantischen Komödie ist, dass die Figuren dabei Klischees bleiben. Merlin will nichts als die eine große Liebe, Jacob will nichts als möglichst viel Spaß mit möglichst vielen Frauen (“Ich weiß, was Kinder wollen. Schließlich war ich bis vor 30 Sekunden selbst noch eins”), Nuri hat jenseits seiner Homosexualität überhaupt keine Eigenschaften. Das verschenkt die Möglichkeiten des bis in die Nebenrollen sehr prominent besetzten Ensembles und macht das Geschehen noch berechenbarer, als es in diesem Genre ohnehin schon üblich ist. Dazu kommen vollkommen unglaubwürdige Wendungen im Plot und aufdringliche Musik, die deshalb so penetrant wirkt, weil sie die Emotionalität erzeugen soll, zu der die Handlung nicht in der Lage ist.

Das liegt auch an der seltsamen Idee von Gut zu Vögeln, eine Liebesgeschichte mit bevorzugt derbem Humor (siehe Filmtitel) zu paaren. Was womöglich frech und innovativ wirken soll, führt dazu, dass hier weder emotional bewegende Momente noch gute Gags zu sehen sind. Stattdessen gibt es billige bis vulgäre Witze über Schwule, Alleinerziehende, Fürze und Türken, die auch dem Vorhaben im Weg stehen, hier vielleicht zumindest an der Oberfläche ein bisschen von der Lebenswirklichkeit und den Herausforderungen von Menschen um die 30 zu erzählen. Unterm Strich wirkt Gut zu Vögeln wie etwas, das nie eine gute Idee war, dann auch noch zur Anbiederung an ein Massenpublikum verhunzt und schließlich liederlich umgesetzt wurde.

Bestes Zitat:

“Neuerdings nervt sie sogar, wenn sie weg ist.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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