Gyllene Tider – “Dags Att Tänka På Konserten”

Künstler Gyllene Tider

Dags Att Tänka På Konserten - Live Sommaren 2013 Gyllene Tider Review
Ihre Sommertour 2013 dokumentieren Gyllene Tider auf DVD.
DVD Dags Att Tänka På Konserten – Live Sommaren 2013
Label Elevator Entertainment
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Gyllene Tider halten noch immer den Rekord für das bestbesuchte Konzert aller Zeiten in Schweden, ebenso wie für die erfolgreichste Tour, die jemals in Skandinavien stattgefunden hat. Beide Bestwerte stellten sie 2004 auf, als sie aus Anlass des 25. Jubiläums der Band auf Konzertreise gingen. Kurz zuvor hatten Per Gessle, Mats Person, Micke Andersson, Anders Herrlin und Göran Fritzon ihr erstes Album seit 20 Jahren veröffentlicht und nahtlos an die Erfolge angeknüpft, die sie in der ersten Hälfte der 1980er Jahre gefeiert hatten.

Als sie sich 2013 erneut in die Spur machten, war die Ausgangssituation ähnlich: Gerade war Dags att tänka på refrängen erschienen, ihr erstes Album seit fast zehn Jahren. Wieder reihte sich ein ausverkauftes Konzert an das andere. Am 12. Juli füllte die “größte Garagenband aller Zeiten”, wie sie sich auf dieser DVD scherzhaft nennt, das Ullevi-Stadion in Göteborg, das bei Konzerten knapp 60.000 Menschen fasst. Allein die Zuschauer an diesem Abend würden ausreichen, um auf der Liste der bevölkerungsreichsten Städte Schwedens auf Platz 21 zu kommen (zum Vergleich: in Deutschland steht Karlsruhe auf Platz 21 dieser Liste). Insgesamt kam eine Viertelmillion Besucher zu den Shows der Tour.

Dags Att Tänka På Konserten – Live Sommaren 2013 ist ein eindrucksvolles Dokument dieses Siegeszuges, bestehend aus drei Komponenten: Die DVD enthält das komplette Konzert aus Halmstad, der Heimatstadt der Band, wo sie am 5. Juli 2013 die Tour begann. 24 Lieder gibt es als Souvenir dieses Abends. Dazu ist eine Dokumentation des Senders TV4 mit 66 Minuten Spielzeit dabei, in denen einige der Comic-Szenen wieder aufgegriffen werden, die es auch in den durchaus spektakulären Visuals während des Konzerts zu sehen gab, angereichert mit Interviews mit den Bandenmitgliedern, dem Manager, den Eltern der Musiker und Fans. Interessant ist dabei vor allem, das Miteinander innerhalb der Band zu erleben, über das Bassist Anders Herrlin sagt: „Wir haben unsere jeweiligen Eigenheiten akzeptiert.“

Außerdem gibt es drei Videos zu Songs aus dem damals aktuellen Album zu sehen, die freilich weitgehend verzichtbar sind. Man Blir Yr feiert die eigene Historie, Det Blir Aldrig Som Man Tänkt Sej verwendet Bilder aus derselben Studioperformance, ergänzt um ein paar halbherzige Effekte, und Allt Jag Lärt Mej Om Livet (Har Jag Lärt Mej Av Vera) wurde bei einem Fernsehauftritt in einem deprimierenden Setting (bestuhlter Saal, desinteressiertes Publikum, Vollplayback) aufgezeichnet.

Wer die Begeisterung nachvollziehen möchte, die auf Dags Att Tänka På Konserten dokumentiert ist, kann natürlich einige Antworten in der Musik finden. Ebenso erhellend ist aber auch, die Fans zu befragen. Dass Gyllene Tider in Schweden ein Phänomen ersten Ranges sind, muss angesichts der eingangs erwähnten Zahlen wohl kaum erwähnt werden. Besonders spannend ist aber die Perspektive der Fans, die aus anderen Ländern kommen und nicht bereits mit der Musik dieser Band sozialisiert wurden. In der Doku auf dieser DVD kommen beispielsweise Fans aus Argentinien zu Wort, die Gyllene Tider teilweise über die gesamte Tournee hinweg folgen. „Sie erinnert mich an den Sommer“, sagt eine dieser Anhängerinnen über die Musik. Ein schwedischer Fan schätzt die „positive Lebenseinstellung“, die aus den Liedern der Band spricht. Sandra, ein Fan aus Deutschland, hat ihren Jahresurlaub genommen, um bei jedem Konzert in der ersten Reihe zu stehen – und ebenso wie die Fans aus Südamerika hat sie extra Schwedisch gelernt, um mitsingen zu können.

Schon vor dem ersten Song gibt es Sprechchöre „Tider, Tider“, später erweisen sich Grinsen und Hüpfen als bevorzugte Bewegungen im Publikum. Die Band spielt einige neue Sachen wie Det Blir Aldrig Som Man Tänkt Sej, das die Show eröffnet, vor allem aber „goldene Favoriten“, wie es Per Gessle in Anspielung auf den Bandnamen (zu Deutsch: Goldene Zeiten) nennt. Das phänomenale Juni, Juli, Augusti enthält ein paar mehr Gitarrensoli als die Studioversion, På Jakt Efter Liv vom Moderna Tider-Album aus dem Jahr 1981 klingt erstaunlich erwachsen. Bei Man Blir Yr, zum Start der Tour gerade die aktuelle Single von Gyllene Tider, merkt man am enthusiastischen Mitsingen: Viele sind nicht wegen der alten Hits da, sondern genau wegen diesem Lied. Sie sind erst durch diesen Song zu Fans geworden.

Schlagzeuger Micke Andersson darf die Schunkelnummer Min Tjej Och Jag singen, Tuffa Tider (För En Drömmare) wird mit Ukulele intoniert. Ein Gänsehautmoment wird Flickan I En Cole Porter-Sång: Auch die, die beim Erscheinen dieses Songs noch gar nicht geboren waren, singen aus vollem Halse mit. Bei Ljudet Av Ett Annat Hjärta scheinen sich Gyllene Tider selbst überholen zu wollen vor lauter Energie, bei Gå & Fiska sind alle außer Rand und Band, Sommartider wird fast ein bisschen kaputt geknüppelt, bevor sich beim obligatorischen Schlusspunkt När Alla Vännerna Gått Hem wieder alle in den Armen liegen.

Dass später die Titelseite einer Tageszeitung zu sehen ist, auf der Per Gessle mit einem ganzseitigen Foto als “Kung av Sommarsverige” (König von des schwedischen Sommers) bezeichnet wird, verwundert nach diesen gut anderthalb Stunden kaum noch. Auffällig an Dags Att Tänka På Konserten ist zum einen, wie oft der Sommer selbst in den Liedern von Gyllene Tider vorkommt. Es ist wohl nicht nur der heitere Sound dieser Musik, der die Band in Schweden so beliebt macht, sondern auch das Bewusstsein ihrer Landsleute, nur ein paar Monate im Jahr ohne widrige Witterung zu haben, in die man dann am besten den gesamten Spaß des Lebens packen sollte – was natürlich umso besser funktioniert, wenn man den perfekten Soundtrack dazu hat.

Ebenso klar wird, wie zeitlos diese Musik ist: Die Songs vom Comeback-Album Finn 5 fel! hätten problemlos auch auf das Debüt gepasst, die aktuellen Stücke von Gyllene Tider im Sommer 2013 sind kaum von 30 Jahre alten Liedern zu unterscheiden, nicht im Klang und nicht in der Energie. Optisch hingegen ist das nur noch ein bisschen Rock’N’Roll, auch das zeigt die DVD, obwohl die hier durchweg in ihren Fünfzigern angekommenen Bandmitglieder es zumindest ein bisschen versuchen: Keyboarder Göran Fritzon trägt schwarzen Nagellack, Drummer Micke Andersson hat einen Irokesenschnitt (und trägt in der TV-Doku in einer Backstage-Szene ein T-Shirt mit dem alten Ramones-Slogan „Gabba Gabba Hey“ als Aufdruck), Bassist Anders Herrlin trägt eine Lederjacke, Frontmann Per Gessle demonstriert seine jahrzehntelang auch bei Roxette perfektionierte Fähigkeit, Gitarrenplektren ins Publikum zu schnipsen. Mats Persson sieht hingegen aus wie ein gemütlicher Handwerker.

Er (Spitzname: MP) liefert dennoch die vielleicht beste Begründung für den anhaltenden Erfolg dieser Band. In der Dokumentation für TV4 wird er gefragt, welche Zutaten es denn bräuchte, wenn Gyllene Tider ein Cocktail wären. Und seine Antwort ist so amüsant wie einleuchtend: Neugierde, Leidenschaft, Freude, Adrenalin und Sex.

Der Trailer zur DVD.

Website von Gyllene Tider.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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