Hingehört: Afrikan Boy – “The ABCD”

Künstler Afrikan Boy

Cover des Albums The ABCD von Afrikan Boy
Das Debüt von Afrikan Boy erschien in England bereits vor einem Jahr.
Album The ABCD
Label YAM Records
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Erdbeben in China, Ebola in Westafrika, Sanktionen gegen Russland – das waren die Schlagzeilen im August 2014. In diesem Monat erschien das Debütalbum von Afrikan Boy in England, und Olushola Ajose – so sein bürgerlicher Name – besang schon damals das Thema, das heute die Nachrichten dominiert: Flüchtlinge.

“Made in Africa, born in the UK”, fasst er seine Herkunft in M.I.A. zusammen. Der 26-Jährige lebt im Londoner Südosten, seine Eltern kommen aus Nigeria. Passend dazu gibt es auf The ABCD, das nun auch in Deutschland erscheint, reichlich Cockney-Rap und Afrobeat, zeitgemäßen Grime ebenso wie Anklänge an längst vergessenen Nighlife. Übrigens: M.I.A., die besagtem Track den Namen verlieh, hat Afrikan Boy früh gefördert und mit auf Tour genommen, auch auf ihrem Kala-Album hatte er einen Auftritt.

Sein eigenes Album beginnt fulminant: Den Startschuss gibt die Single YAM. Die Abkürzung steht für “Young, Ambitious, Motivated” und hat auch gleich den Namen für seine eigene Plattenfirma abgegeben. Man muss dabei an Dizzee Rascal denken, nicht nur wegen der Ähnlichkeit der Stimme, sondern auch wegen des schwer elektronischen Sounds und der Vorliebe für Wahnsinn.

Das folgende Border Business behandelt das Thema Migration mit einem ähnlich harten und eleganten Beat wie man das von Jay-Z kennt. “Ain’t no human fitter than an immigrant”, stellt Afrikan Boy dazu klar. Ein weiteres Highlight ist die Single Hit ‘Em Up, die ein Sample von Fela Kutis Wa dele Wa Robin enthält und sagenhaft ausgelassen, stolz und mitreißend wird.

Nach diesen drei Liedern könnte man The ABCD noch für ein Meisterwerk halten: aufregend, aktuell und ambitioniert. Danach wird das Album aber leider extrem durchwachsen. Sehr viele Stile schwirren da um das immer gleiche Thema herum (nur in 4 von 15 Tracks auf diesem Album kommt das Wort “Africa” nicht vor), und nicht immer passt das gut zusammen.

Let’s Get On Down (mit einem Gastauftritt von Nneka) wird wirr, hektisch und überdreht in seinem Versuch, möglichst viele Einflüsse zu verschmelzen. Gerade weil es so gerne aufregend sein will, ist Carry N Go so öde. In Grab Your Bottles (featuring Lady Leshurr) verwandelt sich Afrikan Boy in einen durchgeknallten Neon-Harlekin, was auch kein perfekt passendes Kostüm für ihn ist. Show Me Your Leader wartet plötzlich mit einer E-Gitarre auf, wird plakativ wie Outkast, allerdings nicht so gewitzt.

Dem stehen Tracks wie Take You There gegenüber, die letztlich Elektropop mit Wegwerfcharakter bieten, aber von Afrikan Boys sehr gutem Rap gerettet werden. In Spell It With A K erzählt der 26-Jährige seine bewegte Lebensgeschichte, und die Musik dazu ist fast ebenso spannend.

Und zwei Highlights gibt es auf The ABCD auch noch: Mr. Kunta Kinte feiert das Tanzen mit unglaublich viel Kraft und dürfte live ein Fest sein. Sunshine, mit einem glänzenden Gastauftritt von Shingai Shoniwa (Noisettes), ist großartig optimistisch. Immerhin: So ein Lied (oder ganz viele davon) kann man bei den aktuellen Schlagzeilen bestens gebrauchen, und zwar überall auf der Welt.

Afrikan Boy zeigt in einer Kurz-Doku, was ihn zu Border Business inspiriert hat.

Homepage von Afrikan Boy.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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