Hingehört: Amateur Best – “The Gleaners”

Künstler Amateur Best

Cover des Albums The Gleaners von Amateur Best bei Brille
“The Gleaners” hätte beinahe von einer Puppenstube gehandelt.
Album The Gleaners
Label Brille
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Joe Flory war einmal der Typ hinter Primary 1, er ist außerdem noch immer der Schlagzeuger in der Band von Chilly Gonzales. Seine liebste Inkarnation ist aber ohne Zweifel Amateur Best. Denn hier hat er alle Fäden in der Hand, und er weiß, wie stimmig eine Platte werden kann, die unter diesen Bedingungen entsteht. “I love the sound of something that has been entirely directed by one person”, gesteht er.

Bei The Gleaners, seiner zweiten Platte als Amateur Best, ist das der Fall. Flory hat in seiner neuen Heimat Birmingham alles komponiert, fast alles selbst eingespielt (teilweise mit Instrumenten, die er extra für einen Track angeschafft und sofort danach wieder verkauft hat), gemixt und produziert. Und er ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis. “There are moments on this album where I feel like the music, lyrics, and production just gel completely. With the way I make music – which is to do everything at the same time, and everything alone – getting that moment of total clarity in lyrics, melody, and production is quite a unique feeling, and probably the reason I enjoy making music so much”, schwärmt er. “I called it The Gleaners because it’s my way of taking little snippets of all the stuff I like and reinterpreting it.”

Eine große Stärke des Albums ist dabei die Spannungskurve. Es beginnt mit dem extrem zurückgenommenen Rely. „I don’t have any answers, but you can rely on me“, lautet das keineswegs kleine Versprechen im Refrain. Flory hat glücklicherweise eine Stimme, der man solche Bekenntnisse wirklich abnimmt, dazu gibt es von Spencer Zahn gespielte Keyboards, das Kaiser Quartett steuert die Streicher bei – alles ist live aufgenommen.

Im folgenden 19 (mit Gastauftritt von Chilly Gonzales) gibt es erstmals einen Beat, danach ist The Double soft und zugleich unverkennbar funky, sexy und bedrohlich. Beim vierten Track Marzipan ist die Musik von Amateur Best dann auf einmal sogar clubtauglich.

Diese Vielfalt ist auch der Tatsache zu verdanken, dass Joe Flory seine eigentliche Idee für The Gleaners wieder verworfen hat. Ursprünglich hatte er ein Konzeptalbum über eine Puppenstube im Sinn, die er in einem Second-Hand-Laden gekauft hatte. “In the end, I realised that I just wanted to write songs about my own life set to the most exciting music and production I could come up with”, erklärt er seinen Sinneswandel. Das führt zu einer sehr reizvollen Melange aus Pop, House und Electro, die mal betörend klingt wie They Know, mal ganz sanft wie Hey Darlin’, sich gelegentlich aber auch Elemente jenseits des Wohlklangs erlaubt wie in Nightshifter.

Ein Höhepunkt kurz vor Ende ist Leviathan, das mit einem Ausmaß an Tempo und Entschlossenheit aufwartet, das dann doch überrascht – und begeistert. Auch das zeigt: No Thrills, wie vor zwei Jahren das erste Album von Amateur Best hieß, war als Beschreibung für diese Musik schon damals unpassend – und auch als Fazit für The Gleaners gilt es nur bei der alleroberflächlichsten Betrachtung.

Zwischen Glauben und Wissen pendelt das Video zu They Know.

https://www.youtube.com/watch?v=IoQA2O8zm80

Amateur Best bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.