Avi Buffalo – “At Best Cuckold”

Künstler*in Avi Buffalo

Introspektion ohne Selbstmitleid meistert Avi Buffalo auf seinem zweiten Album.
Introspektion ohne Selbstmitleid meistert Avi Buffalo auf seinem zweiten Album.
Album At Best Cuckold
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Avigdor Zahner-Isenberg ist ein ausgesucht höflicher 23-Jähriger. Selbstverständlich erklärt der junge Mann aus Long Beach, California, gerne, wovon sein zweites Album handelt. Auf At Best Cuckold geht es um “life, dealing with relationships and yourself, and trying to keep your head up and keep learning amidst whatever it is you’re going through”, sagt er. Dieser Wille, aus jeder Erfahrung noch etwas Positives zu ziehen, ist eine wichtige Perspektive, und Lieder wie Two Cherished Understandings unterstreichen, wie sehr sie dazu beiträgt, diese Platte zum Erfolg zu machen: Die Sichtweise von Avi Buffalo ist oft eine des Bedauerns, aber glücklicherweise nie zu nahe am Selbstmitleid.

„These birds seem so fucking free / they’re nothing compared to me / and I’m relatively inconspicuously overwhelmed with pride“, singt er im zauberhaften Overwhelmed With Pride, es wird ein Erwachen, ein schüchternes Aufblühen. Wenn er in Think It’s Gonna Happen Again die Titelzeile immer wieder singt, mit einer Stimme, die vielleicht ein bisschen höher ist, als ihr selbst gut tut, dann weiß man: Natürlich werden ihm wieder Dinge zustoßen, betrübliche und erfreuliche. Aber Avi Buffalo wird bei ersteren darüber hinweg kommen, bei letzteren kann er vielleicht eine ziemlich lange Weile nur mit der Vorfreude darauf auskommen.

Won’t Be Around No More ist noch so eine bezeichnende Titelzeile, diesmal für den Schlusspunkt des Albums – und Avi Buffalo sagt diese Worte eher voller Wehmut zu sich denn als Drohung an all jene, die seine Anwesenheit vielleicht erst zu schätzen wissen werden, wenn er nicht mehr da ist. Es ist diese Fähigkeit zur Introspektion, die immer schlau, immer anheimelnd (am deutlichsten im watteweichen Opener So What) und niemals weinerlich ist, die zur ersten wichtigen Säule von At Best Cuckold wird.

Die zweite Säule ist die schiere Musikalität von Avi Buffalo. Avigdor Zahner-Isenberg hat alle Songs selbst geschrieben, das Grundgerüst des Albums wurde dann allerdings gemeinsam mit vier weiteren Musikern innerhalb von zwei Wochen aufgenommen. Avi Buffalo „works something like a solo project in the studio and then builds into a band onstage”, umschreibt das Presse-Info diese Arbeitsweise. Entscheidend ist aber, dass Zahner-Isenberg nach diesen Sessions noch reichlich Overdubs dazugepackt hat, wieder in Eigenregie. “I’ve always had a lot of fun with overdubs”, sagt er und ergänzt schelmisch: “Maybe my favorite instrument is overdubs.”

Memories Of You lässt das gut erkennen, das Lied hat den Jangle der Byrds in der Strophe und das Spacige von ELO im Refrain. She Is Seventeen wird eine lupenreine Paul-McCartney-Ballade (etwa zur Zeit von Let It Be), inklusive eines virtuosen Bass’ und eines verträumten Gitarrensolos, bei dem man wetten möchte, dass es von George Harrison gespielt wird.

Auch die wenigen beschwingteren Momente gelingen dank dieses Reichtums an Instrumenten und Melodien vortrefflich. Can’t Be Too Responsible erinnert an die putzigsten Momente von Fountains Of Wayne. Found Blind lässt erkennen, dass Avi Buffalo sicher auch mal ein Lied Album von Dinosaur Jr gehört hat. „A man, a man, a man“, singt er kurz vor Schluss der Platte immer wieder in Oxygen Tank, und man muss schon ins Booklet schauen, um sicher zu sein, dass es nicht „Amen, Amen, Amen“ heißt. Andererseits: Wenn Gebete immer so schön wären wie dieses Lied, würden sie sicher besser helfen.

Avi Buffalo spielen Can’t Be Too Responsible live in Austin:

Homepage von Avi Buffalo.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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