Hingehört: Babyshambles – “Sequel To The Prequel”

Das Cover von "Sequel To The Prequel" hat Damien Hirst gestaltet.
Das Cover von “Sequel To The Prequel” hat Damien Hirst gestaltet.
Künstler Babyshambles
Album Sequel To The Prequel
Label Parlophone
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Er hat ein Fernsehteam mit Blut bespritzt. Er hat eine Katze dazu gebracht, Crack zu rauchen. Er hat stürmische Beziehungen mit Kate Moss und Amy Winehouse hinter sich. Und ausgerechnet bei einer Anhörung zu seinen Bewährungsauflagen ist ihm ein bisschen Heroin aus der Tasche gefallen. Jetzt hat Pete Doherty, hört hört!, wieder eine Platte gemacht. Sie heißt Sequel To The Prequel, ist das dritte Album seiner Band Babyshambles und die erste seit dem sechs Jahre zurückliegenden Rohrkrepierer namens Shotter’s Nation.

Seien wir ehrlich: Gerechnet hatte wohl kaum mehr jemand mit diesem Album, und die Zahl derer, die sehnsüchtig darauf gewartet haben, dürfte noch geringer sein. Viel zu sehr hatte man sich daran gewöhnt, vor dem Namen „Pete Doherty“ Worte wie „Drogenwrack“ oder „Rock-Chaot“ zu lesen. Der 34-Jährige war ein Mann für die Klatschspalten geworden, nicht fürs Feuilleton.

Nicht nur vor diesem Hintergrund ist Sequel To The Prequel, produziert von Stephen Street (wie schon Shotter’s Nation) und verziert mit einem Cover, das Damien Hirst gestaltet hat, ein erstaunliches Album. Die Platte ist stimmig und rund, es gibt (selbst wenn man die Bonus-CD mit fünf Extra-Tracks dazu nimmt) keinen einzigen Ausfall. Und es gibt gleich mehrere Songs, die zumindest an das Niveau der Libertines herankommen – der Band, mit der Doherty einst der Jugend Britanniens den Kopf verdrehte und die er dann ebenfalls schnurstracks Richtung Abgrund führte, nach nur zwei Alben.

Dass es die Babyshambles (mittlerweile mit Adam Falkner als neuem Schlagzeuger) diesen Wert nun mit einem dritten Longplayer überbieten, ist im höchsten Maße überraschend. Gitarrist Mik Whitnall hatte innerlich schon mit den Babyshambles abgeschlossen, Bassist Drew McConnell rang nach einem Fahrradunfall im Juli 2011 sogar mit dem Tod. Auch Doherty blickte der Aussicht auf neue Aufnahmen alles andere als optimistisch entgegen: „It was a fucking shambles“, erinnert er sich an den Ausgangspunkt von Sequel To The Prequel. „Es gab keine Kommunikation zwischen uns und keine Idee einer Richtung, in die wir gehen sollten. Wir kamen uns vor wie Schiffbrüchige.“

Freilich konnte sich Doherty auf die Vorarbeit seiner Mitstreiter verlassen. Whitnall und McConnell haben viele der Lieder mitgeschrieben, vor allem McConnell ist wohl der Mann, der bei diesem Album die Fäden in der Hand hatte. Den Großteil des Materials schrieben die beiden in Spanien, bevor sie es Doherty vorstellten und Sequel To The Prequel schließlich in dessen Wahlheimat Paris aufgenommen wurde.

Den Beginn macht ein Song, der auch von den Libertines stammen könnte. Fireman hat ein Killer-Riff, ein angriffslustiges Schlagzeug und mit der Refrainzeile „I’m a fireman!“ auch den passenden Slogan. Der Opener ist der einzige Track auf Sequel To The Prequel, in dem man einen Kracher wie Fuck Forever wieder erkennen könnte, und doch fügen sich all seine Zutaten hier in die Form eines richtig guten, durchaus klassischen Rocksongs.

Danach bietet das Album erstaunlich viele Momente, die zurückgenommen und entspannt sind, ohne deshalb belang- oder lieblos zu klingen, wie die Single Nothing Comes To Nothing, das traumhafte Fall From Grace (das ungeniert das Intro von Bob Dylans I Want You übernimmt) oder später auf CD2 After Hours. Auffällig ist, wie gut Dohertys Stimme intakt ist. “He has the wildest heart in rock’n’roll”, hat der NME über ihn geschrieben – auf Sequel To The Prequel schafft er es endlich wieder, diese waidwunde Romantik auch in den Songs einzufangen.

Als Schlüsselstücke darf man gleich zwei der Lieder betrachten: Farmer’s Daughter ist eine herrliche Ballade mit zärtlichem Bass, effektvollem Schlagzeug und einem grandios leidenschaftlichen Refrain. Am eindrucksvollsten ist aber, dass Doherty hier im Text einen Optimismus erkennen lässt, den man so schon ewig nicht von ihm gehört hat. Er selbst bezeichnet Picture Me In A Hospital als sein Lieblingslied auf der Platte: „Für mich repräsentiert das Stück den Spirit des gesamten Albums.“ Auch hier gibt es, neben toller Melodie, einem bestechenden Drive und viel Klasse, mehr als nur Spurenelemente von Zuversicht. „Oh it’s terrible, but it makes me powerful“, singt Doherty da über die Krankenhaus-Szenerie, „on and on there’s still a song for me / And I’m still around to sing it.”

Dass Pete Doherty und die Babyshambles wieder richtig Spaß an dieser Rockmusik-Sache haben, illustrieren beispielsweise Maybellene und das sehr gute The Very Last Boy Alive von der Bonus-CD. Den französischen Einfluss auf das Album kann man im angejazzten Kaffeehaus-Sound des Titelsongs erkennen, Dr. No wird ein geheimnisvoller Ska, der nichts mit James Bond, aber sehr viel mit den Specials zu tun hat.

Das putzige Penguins (der Song handelt tatsächlich von einem Besuch im Zoo) ist ein Beispiel dafür, dass die Babyshambles bei aller diesmal an den Tag gelegten Konzentration ihren Charme noch immer aus dem Unfertigen, Kaputten, Chaotischen beziehen. Das Lied nimmt Wendungen, die kein Mensch vorhersehen kann, samt der famosen Pointe im Refrain: “I really don’t like your boyfriend’s face / I’m going to try and take his place.” Die Welt hat diese Qualität unlängst gut zusammengefasst: „Dohertys Musik klingt inzwischen so souverän, weil sie wie er über Abgründe tänzelt. (…) Das ist ein seltenes Talent in der Rockmusik, die ja viel mehr als der Pop zum Pathos neigt. Doherty teilt es mit Bob Dylan: Er kann sich nur ernst nehmen, indem er sich auslacht.“

Mit dem Rausschmeißer Minefields zeigt Doherty dann endlich auch, dass hier ein Autor am Werk ist, der auch schon richtig schwere, dunkle Zeiten erlebt und überlebt hat. Kurz zuvor belegt er mit dem wundervollen Seven Shades, dass er endlich wieder als Musiker und Poet gesehen werden will, nicht als Skandalnudel: „Mir ist klar geworden, dass ich immer noch diesen Hunger in mir habe. Ein Hunger, Mitglied dieser Band zu sein. Das ist ein wichtiger Teil von mir – erst dieses Album hat mich wieder daran erinnert.“

Der Albumtrailer zu Sequel To The Prequel:

httpv://www.youtube.com/watch?v=0dJH98Lqm9U

Homepage der Babyshambles.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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